Entfuehrung nach Gretna Green
einem klebrigen Matsch verbunden.
Bitte mach, dass wir bald abreisen können.
Die Stalltür öffnete sich, und Venetia hörte, dass Gregor mit dem Squire über die Pferde sprach. Sie beugte sich vor und sah zu, wie die beiden Männer auf das Gasthaus zugingen, während sie über die Vor- und Nachteile verschiedener Pferderassen sprachen.
Der Squire machte eine Bemerkung über die mangelnde Qualität der meisten Mietpferde, und Gregor lachte. Der Wind fuhr in sein dunkles Haar und wehte es ihm in die Stirn.
Nachdem die beiden Männer den Gasthof erreicht hatten, öffnete Gregor die Tür. In dem Moment, in dem er beiseitetrat, um dem Squire den Vortritt zu überlassen, hob er den Kopf und sah Venetia direkt in die Augen.
Eine kleine Ewigkeit lang verharrten sie beide bewegungslos. Dann zog ein Lächeln über Gregors Gesicht. Er hob die Hand und winkte ihr kurz zu. Das erinnerte sie so sehr an den Gregor, den sie all die Jahre gekannt hatte, dass sie zurücklächelte, während ihr Herz einen freudigen Sprung tat. Vielleicht hatte sich letzten Endes doch nichts zwischen ihnen geändert. In diesem Moment erkannte sie, wie groß ihre Sorge gewesen war, die Freundschaft zu zerstören, die ihr so viel bedeutete.
Von ihrem Zimmer aus konnte Venetia hören, wie Gregor die Halle durchquerte und den Gastraum betrat, denn seine Schritte waren ihr sehr vertraut. Zweifellos fragte sich Miss Platt in diesem Moment, ob der Blick, mit dem Gregor die anderen Gäste begrüßte, etwas zu bedeuten hatte. Venetia schüttelte den Kopf. Miss Elisabeth Higganbotham war eine sprudelnde Quelle falscher Informationen. Zudem hätte Venetia ihre Lieblingsschuhe darauf verwettet, dass sich die flatterhafte Elisabeth nach einem einzigen Kuss unter Gregors Verehrerinnen eingereiht hätte. Sie hätte die Umarmung genossen, mit all ihren Freunden ausführlich darüber gesprochen und wäre dann dreist zurückgekehrt, um sich mehr zu holen.
Entschlossen straffte Venetia die Schultern, schloss das Fenster, verließ das Zimmer und rannte mit klappernden Absätzen die Treppe hinunter.
„Da bist du ja.“
Mit vor der Brust gekreuzten Armen lehnte Gregor am Fuß der Treppe an der Wand. Es war ungerecht, wie gut er mal wieder aussah.
Trotz der beengten und schwierigen Umstände wirkte er äußerst gepflegt. Das Halstuch war perfekt gebunden, sein Mantel ohne jede Falte und von perfektem Sitz.
Er stieß sich von der Wand ab und trat vor die unterste Stufe. „Wir müssen etwas besprechen,Venetia.“
Ihm entging weder ihr Zögern noch der Schatten, der über ihr Gesicht huschte. Dann straffte sie ihren Körper und kam die letzten paar Stufen herunter. „Ja“, stimmte sie zu, „es gibt einiges, worüber wir uns unterhalten müssen.“ Mit in den Nacken gelegtem Kopf sah sie zu ihm auf, und ihr Blick war klar und direkt.
Widerstrebend lächelte er. Keine andere Frau sah ihm jemals auf die Art und Weise in die Augen, wie sie es tat, ohne jede Koketterie und ohne sich zu verstellen. Nach der Sache mit dem Schneeball war er davon ausgegangen, dass sie zerknirscht sein und ihn reuig um Vergebung bitten würde, weil sie sich Sorgen um seine Einstellung ihr gegenüber und seine Gefühle für sie machte. Stattdessen stand sie ohne den leisesten Anschein von Reue vor ihm und machte keine Anstalten, sich bei ihm zu entschuldigen.
Ihm wurde ein wenig warm: Das eisige Verhalten, das sie während des letzten Tages ihm gegenüber an den Tag gelegt hatte, hatte ihn mehr getroffen, als er bereit gewesen war, sich einzugestehen. Venetia war ihm in mehr als einer Hinsicht wichtig, und bei ihr in Ungnade gefallen zu sein, mochte er ganz und gar nicht. Sie kannte ihn besser als irgendjemand sonst, sogar besser als seine eigene Familie. Sie wusste, was er mochte und was er nicht mochte, kannte seine Siege und seine Niederlagen und wusste alles über den Fluch, der auf seiner Familie lag. Und als wahre Freundin akzeptierte sie ihn so, wie er war, mit all seinen Ecken und Kanten. Ebenso, wie er sie akzeptierte und die Einmaligkeit ihres Wesens schätzte.
Das war der Grund, aus dem er in der vergangenen Nacht wachgelegen hatte. Schlaflos in seinem Bett, hatte er beschlossen, dass er nicht vor den Funken, die zwischen ihnen sprühten, davonlaufen konnte. Er konnte es einfach nicht.
Nervös befeuchtete sie die Lippen und stieß hastig hervor: „Wir müssen vergessen, was gestern geschehen ist, Gregor, und wieder so miteinander umgehen, wie wir es immer getan haben.“
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