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Entfuhrt

Entfuhrt

Titel: Entfuhrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koppel Hans
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Verschwinden zu tun haben.
    Sie konnte sich nur keinen Reim auf die Sache machen. Mike war nie gewalttätig gewesen. Er war ein eher sanfter Mensch.
    War das Fass übergelaufen?
    Wie auch immer es sich verhielt, was hatte das für Auswirkungen auf die Zukunft? Wer würde sich um Sanna kümmern? Kristina stellte sich die Distanzierung und Berührungsangst der Umwelt vor. Es würde nicht leicht für Sanna werden, Freundinnen zu finden, auf die sie sich verlassen konnte.
    Kristina versuchte sich vorzustellen, wie ein Psychopath auf offener Straße mit dem Messer auf ihre Schwiegertochter losging. Sie versuchte, sich Ylva verantwortungslos kichernd im Bett eines anderen Mannes vorzustellen. Nein, nicht verantwortungslos kichernd, sondern höhnisch lachend. Damit Mike endlich begriff, was sie für eine war, und ihr den Laufpass geben konnte.
    Aber keine dieser Fantasien konnte den Gedanken erschüttern, den sie um jeden Preis unterdrücken wollte. Dass Mike mehr wusste, als er sagte, dass er etwas mit Ylvas Verschwinden zu tun hatte.

    Kristina hörte das Telefon klingeln. Es klingelte bereits eine ganze Weile, sie wusste nicht recht, wie lange schon. Sie stand auf, um zu antworten, schaute auf das Display und sah, dass es Mike war.
    Sie holte tief Luft, schloss die Augen und fragte:
    »Hast du was gehört?«
    Ihr Sohn am anderen Ende weinte.
    »Ich habe niemanden, mit dem ich sprechen kann«, schniefte er.
    Kristina hielt die Luft an. Sie war bereit. Mike war ihr Sohn, nichts würde daran etwas ändern.
    »Erzähl«, sagte sie. »Ich höre zu.«
    Sie wartete ab, bis er sich so weit gesammelt hatte, dass er deutlich sprechen konnte.
    »Sie haben sie in der Schule aufgesucht«, sagte er schließlich.
    »Wer?«
    »Die Polizei. Sie haben mit Sanna gesprochen.«
    Kristina erwiderte nichts.
    »Aber verstehst du denn nicht?«, sagte Mike. »Sie glauben, dass ich es war. Sie glauben, dass ich sie umgebracht habe. Wie können sie so was nur denken?«
    Seine Stimme klang resigniert und verzweifelt, aber auch aufrichtig. Kristina spürte, wie der Krampf in ihren Muskeln nachließ.

28. KAPITEL
    Karlsson und Gerda führten eine Nachbarschaftsbefragung durch. Hatte jemand einen sachdienlichen Hinweis zu Ylva Zetterbergs Verschwinden? Waren Fahrzeuge vor dem Zetterberg-Haus gesichtet worden? Der fragliche Zeitraum erstrecke sich von ungefähr neun Uhr abends bis zum folgenden Morgen.
    Sie waren sich bewusst, dass jede Frage, die sie stellten, den Verdacht in ein und dieselbe Richtung lenkte.
    Die zweitägige Feldarbeit ergab, dass zwei Zeugen unabhängig voneinander gehört hatten, wie ein Auto etwa um Viertel nach drei Uhr morgens den Bäckavägen verlassen hatte und den Sundsliden hinaufgefahren war. Leider verlief diese Spur im Sande, als sich herausstellte, dass ein Achtzehnjähriger, der den gesamten Freitagabend bei seiner Freundin gewesen war, am Steuer gesessen hatte.
    »Typisch, so ein verdammtes Pech«, meinte Karlsson. »Warum konnte er nicht bei ihr übernachten? Das haben wir damals gemacht.«
    »Wenn ich eine fünfzehnjährige Tochter hätte, hätte ich einen Achtzehnjährigen auch nicht bei ihr übernachten lassen«, meinte Gerda.

    »Nein. Vermutlich ist das anders, wenn man Mädchen hat. Was willst du haben?«
    »Weiß nicht.«
    »Ich auch nicht.«
    Sie standen in der Schlange vor dem Sofiero-Kiosk an, um ein Eis zu kaufen.
    »Ein Softeis wäre nicht schlecht«, meinte Gerda.
    »Gewagt.«
    »Mit Streusel.«
    »Du hast heute wohl die Spendierhosen an.«
    »Man lebt nur einmal.«
    »Wie wahr. Ich glaube, ich gönne mir drei Kugeln. Und dazu Fruchtsoße und Sahne.«
    »Ist das nicht ein bisschen üppig?«
    »Das bin ich mir wert. Streusel für dich, Fruchtsoße und Sahne für mich.«
    Sie bekamen ihr Eis und aßen es in der Sonne, an ihr Auto gelehnt.
    »Besser kann’s nicht sein«, meinte Karlsson.
    »Du hast gut reden«, meinte Gerda. »Meine Streusel sind alle.«
    »Wo würdest du dich der Leiche entledigen?«
    »Weiß nicht. Du?«
    »In einem See. Mit Gewichten beschwert.«
    »Sehr umständlich«, meinte Gerda. »Man muss heben und schleppen, braucht ein Boot und muss ständig befürchten, dass die Leiche wieder an die Oberfläche steigt. Verscharren ist besser, wenn du mich fragst.«
    »Da muss man richtig tief graben. Und es gibt immer
Tiere, die in der Erde herumwühlen. Lecker, wenn die Sahne auf dem Eis fast gefriert und hart wird.«
    »Wenn sie klumpt, ich weiß.«
    »Wir müssen noch mal mit ihm reden.

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