Entfuhrt
Inzwischen sind ein paar Tage ins Land gegangen. Vielleicht hat ihm sein Gewissen ja zugesetzt.«
Mike Zetterberg überlegte, was er sonst noch tun konnte. Er versuchte, konstruktiv zu denken und einen losen Faden zu finden, an dem er ziehen konnte.
Sie war nicht mit dem Bus gefahren. Falsch, das wusste er nicht. Was er wusste, war, dass kein Busfahrer oder Fahrgast sich daran erinnerte, sie gesehen zu haben. Es war natürlich möglich, dass niemand sie bemerkt hatte, aber Mike konnte sich das nicht vorstellen. Ylva zog Blicke auf sich, sie besaß dieses offene Lächeln, das zur Kontaktaufnahme einlud. Sie benutzte Kopfhörer, um sich nicht mit allen Leuten unterhalten zu müssen.
Kopfhörer? Hatte sie vielleicht die Straße überquert und war überfahren worden, ohne dass jemand es gesehen hatte? Hatte der Fahrer die Flucht ergriffen, ihre Leiche einfach mitgenommen und irgendwo vergraben oder ins Meer geworfen? Nicht sehr wahrscheinlich. Sie war durch die Stadt gegangen, da waren überall Leute. Extrem unwahrscheinlich, fast unmöglich.
Am wahrscheinlichsten war, und er musste den Polizisten darin recht geben, dass sie sich mit jemandem getroffen
hatte. Sie hatte Mike eine Sache gesagt und ihren Kollegen eine andere. Um sich den Rücken freizuhalten. Blieb die Frage, wen sie getroffen hatte.
Die Anrufliste ihres Handys hatte nichts ergeben. Er war sie zusammen mit Karlsson und Gerda durchgegangen. Die Mails an ihrem Arbeitsplatz waren ebenso nichtssagend gewesen. Keine Internetflirts. Sie konnte natürlich alles zwecks Geheimhaltung gelöscht haben oder auch über ein heimliches E-Mail-Konto verfügen, aber Mike bezweifelte das.
Ylva war jetzt seit vier Tagen verschwunden. Sie hatte nicht einfach ein Wochenende mit einem leidenschaftlichen Liebhaber verbracht. Ihr Pass lag in der Kommode, sie hatte also auch keine Last-Minute-Reise angetreten.
Ihr Handy …
Mike wollte gerade Karlsson und Gerda anrufen, als er sie in seine Auffahrt einbiegen sah. Er öffnete die Haustür und sah ihre ernsten Mienen.
»Haben Sie sie gefunden?«
Karlsson legte ihm seine Hand auf die Schulter.
»Gehen wir rein.«
Während der halben Minute, die es brauchte, in die Küche zu gehen und sich zu setzen, war Mike überzeugt, dass sie Ylvas Leiche gefunden hatten. Es war eine Erleichterung, als ihm klar wurde, dass sie immer noch vermisst wurde.
»Ihr Handy«, sagte er. »Kann man daran nicht nachvollziehen, wo sie gewesen ist?«
»Sie hat ihr Handy in der Tågagatan abgeschaltet.«
»Wann?«
»Am Freitag gegen halb sieben.«
»Dann müsste sie im Bus gesessen haben«, meinte Mike.
»Warum?«
»Der Bus fährt durch die Tågagatan. Das würde auch mit dem Zeitpunkt zusammenpassen, an dem sie ihren Arbeitsplatz verließ.«
»Aber sie saß nicht im Bus«, sagte Gerda.
»Wir sind auch gar nicht deswegen hier«, sagte Karlsson. »Wir haben uns mit Bill Åkerman unterhalten.«
Mike zuckte zusammen.
»Und was hat er gesagt?«
»Er hat letzten Freitag gearbeitet, was seine Angestellten bezeugt haben. Aber er hat uns etwas Interessantes erzählt.«
»Und zwar?«
Mike beugte sich interessiert vor. Karlsson wandte sich Hilfe suchend an Gerda.
»Wie war Ihr Sexleben?«
Mikes Gesicht wurde von einer heftigen Röte überzogen. Eine zornige, keine verlegene Röte.
»Was zum Teufel meinen Sie mit dieser Frage? Wie war Ihr Sexleben? Unser Sexleben ist ganz ausgezeichnet, vielen Dank. Dass sie mit diesem Typen ins Bett gegangen ist, liegt nicht daran, dass sie mich nicht liebt, sondern daran, dass sie sich selbst nicht liebt. Ich höre selbst, dass das wie ein Klischee klingt, aber in diesem Fall ist es die Wahrheit. Meine Frau flirtet, sie ist ständig auf der Jagd
nach diesen sinnentleerten Kicks. Ich habe sie schon so oft mit irgendwelchen Nachbarn eng tanzen sehen, aber mindestens genauso oft habe ich erlebt, und das ist wirklich bedeutend schlimmer, wie mies es ihr anschließend geht, ihren Selbsthass. Dann will sie nur noch sterben.«
»Haben Sie nicht gesagt, sie sei nicht niedergeschlagen gewesen?«
»Bill Åkerman war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen und sie zur Besinnung brachte. Danach haben wir gewissermaßen von vorne angefangen. Das war vermutlich mit ein Grund, weswegen sie nicht mit ihren Kollegen ausgegangen ist.«
Karlsson und Gerda sahen sich an und nickten.
Vermutlich.
29. KAPITEL
Er verstand nur mit Mühe, was der Mann vor ihm sagte.
Calle Collin saß an einem Fenstertisch in einem feinen
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