Entfuhrt
bei Stockholm.«
»Okay.«
Ich bin aus dem vornehmen Lidingö, also ist alles, was ich sage, von großer Bedeutung, dachte Karlsson und blätterte weiter in seiner Zeitung. Er sah, dass das Kallbadhuset bald wieder öffnete. Höchste Zeit. So lange konnte das doch nicht dauern, ein paar Umkleidekabinen zu renovieren?
»Ylva gehörte zu einer Gang. Sie und drei Jungs. Richtig üble Burschen. Wir nannten sie die Viererbande.«
»Oha.«
»Ich weiß, das klingt lächerlich, aber bitte hören Sie mich an. Die drei Jungen sind tot«, sagte Jörgen.
Karlsson studierte das Kinoprogramm. Er war fast sicher, dass gerade ein Film lief, den er sehen wollte, aber keiner der Titel klang bekannt. Dann würde er wohl doch wieder ein Video ausleihen müssen.
»Das klingt nicht gut«, meinte er.
»Nein«, pflichtete ihm Jörgen bei, »und jetzt ist außerdem noch Ylva verschwunden. Das ist irgendwie zu viel des Guten.«
»Hm.«
Karlsson war beim Fernsehprogramm angekommen. Er überflog es rasch. Nichts wirkte sonderlich aufregend.
»Das kann kein Zufall sein«, meinte Jörgen.
»Diese harten Burschen«, meinte Karlsson. »Wie sind die ums Leben gekommen?«
»Einer ist vor ungefähr drei Jahren an Krebs gestorben. Einer wurde ermordet, und der Dritte starb vor etwa einem Jahr bei einem Autounfall in Afrika.«
»Das klingt unerfreulich«, meinte Karlsson. »Aber ich sehe da, abgesehen davon, dass sie als Kinder befreundet waren, keinen richtigen Zusammenhang.«
»Doch«, meinte Jörgen, »da war noch dieses Mädchen.«
»Ylva?«
»Nein, eine andere.«
»Aha.«
Ein verwirrter Nervbolzen, dachte Karlsson.
»Annika Lundin«, sagte Jörgen.
»Annika, aha.«
»Sie hat sich das Leben genommen.«
»Oje«, meinte Karlsson und faltete seine Zeitung zusammen.
Er lehnte sich zurück und schaute aus dem Fenster.
»Danach hat sich die Viererbande aufgelöst«, meinte Jörgen.
»Nach was?«, fragte Karlsson.
»Nach dem Selbstmord. Hören Sie mir nicht zu?«
»Ich höre zu.«
»Gut. Aber das wirklich Interessante ist, dass Annikas Eltern, Gösta und Marianne Lundin, in das Haus gegenüber von Ylvas eingezogen sind.«
»Gösta und Marianne …?«
»Lundin«, sagte Jörgen. »Ich glaube nicht, dass das ein Zufall ist.«
»Richtig, das wirkt unwahrscheinlich«, meinte Karlsson und gähnte.
»Sie müssen mit ihnen sprechen«, sagte Jörgen.
»Natürlich«, erwiderte Karlsson. »Haben Sie eine Telefonnummer, unter der ich Sie erreichen kann?«
Jörgen gab ihm sowohl seine Handy- als auch die Festnetznummer. Karlsson tat, als würde er mitschreiben.
»Ich rufe Sie an, sobald ich mehr weiß«, sagte Karlsson. »Vielen Dank für Ihren Anruf.«
Er legte auf. Kino, dachte er. Welchen Film wollte ich noch gleich sehen?
Gerda klopfte an die Tür und störte ihn bei seinen Überlegungen. Karlsson schaute hoch.
»Mittagessen?«, fragte sein Kollege.
Karlsson erhob sich und zog sein Jackett an.
»Endlich eine vernünftige Idee.«
Jörgen Petersson hatte selbst gemerkt, wie unglaubwürdig sich das Ganze anhörte. In seinem Kopf waren die Gedanken glasklar gewesen, ausgesprochen hatten sie nur idiotisch geklungen. Der Kommissar hatte versprochen, mit den Eheleuten Lundin zu reden. Jörgen bezweifelte, dass er überhaupt nur zum Telefonhörer greifen würde.
Er fragte sich, ob ihm der Polizist anders begegnet wäre, wenn er gewusst hätte, wen er da an der Strippe hatte
und wie wohlhabend er war. Die Antwort lautete zweifellos: ja. Aber er konnte ihm ja wohl schlecht einen Kontoauszug faxen. Wenn er etwas erreichen wollte, musste er direkt mit Ylvas Mann sprechen. Obwohl er Calle versprochen hatte, das zu unterlassen. Ylvas Mann war der Einzige, der ihm vielleicht zuhören würde.
Es war möglich, dass er sich auf einer falschen Fährte befand und dass seine Überlegungen genauso dumm waren, wie sie sich anhörten, aber es gab eine Frage, die das unmittelbar klären könnte, und diese Frage konnte er nur Ylvas Mann persönlich stellen.
55. KAPITEL
Ylva schaute auf den Fernsehmonitor. Sie sah Mike, Nour und Sanna ins Auto steigen. Sanna saß wieder auf dem Rücksitz, schien aber nichts mehr dagegen einzuwenden zu haben. Die täglichen Routineabläufe liefen so reibungslos, wie das morgens mit einer Tochter, die zum Broteschmieren eine Ewigkeit brauchte, langsamer als eine Schnecke aß und erst zufrieden war, wenn beide Enden der Schnürsenkel gleich lang waren, nur möglich war.
Vielleicht sah sie Sanna in diesem Moment
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