Enthüllung
Zentrum zueilte, vor dem er Fernandez auf und ab gehen sah, war er sehr angespannt.
»Heute schon Zeitung gelesen?« fragte sie.
»Ja, ich habe es gesehen.«
»Lassen Sie sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Das ist ein sehr schlechter taktischer Zug der Gegenpartei«, erklärte sie. »Kennen Sie Connie Walsh?«
»Nein.«
»Ein schreckliches Weib«, sagte Fernandez knapp. »Äußerst unangenehm und äußerst fähig. Ich nehme jedoch an, daß die Richterin im Verlauf der Sitzung eine eindeutige Stellungnahme zu der Sache abgeben wird. Passen Sie auf, ich habe folgendes mit Phil Blackburn vereinbart: Wir beginnen mit Ihrer Darste l lung der Geschehnisse vom Montagabend. Danach wird uns Johnson ihre Version erzählen.«
»Augenblick, bitte. Warum soll ich denn anfangen? Wenn ich anfange, hat sie den Vorteil, zu hören, was ich –«
»Sie sind derjenige, der hier einen Anspruch geltend macht, deshalb sind Sie verpflichtet, den Vorfall als erster zu schildern. Aber ich denke, daß sich das zu unserem Vorteil auswirken wird«, erklärte Fernandez, »weil Johnson dadurch als letzte vor dem Mittagessen an der Reihe ist.« Sie gingen auf das Gebäude zu. »Hören Sie: Sobald wir da drin sind, müssen Sie zweierlei beachten. Erstens: Sagen Sie stets die Wahrheit. Egal, was passiert – immer die Wahrheit sagen. Erzählen Sie alles genau so, wie Sie es erinnern, auch wenn Sie meinen, es könnte Ihrer Sache schaden. Okay?«
»Okay.«
»Und zweitens: Rasten Sie nicht aus. Johnsons Anwalt wird versuchen, Sie wütend zu machen und damit in die Falle zu locken. Fallen Sie nicht darauf herein! Wenn Sie sich beleidigt fühlen oder merken, daß Sie wütend werden, erbitten Sie eine Pause, um sich mit mir besprechen zu können. Sie sind jederzeit berechtigt, das zu tun. Dann gehen wir hinaus, und Sie können sich wieder beruhigen. Aber was immer Sie tun, bleiben Sie cool, Mr. Sanders.«
»In Ordnung.«
»Gut.« Fernandez drückte die Tür auf. »Bringen wir’s hinter uns.«
D as Schlichtungszimmer war holzgetäfelt und sehr spärlich möbliert: Sanders sah einen Tisch aus poliertem Holz mit einem Krug Wasser, Gläsern und einigen Notizblöcken sowie ein Sideboard in der Ecke, auf dem eine Kanne Kaffee und ein Teller mit Gebäck standen. Aus dem Fenster blickte man auf ein kleines Atrium mit einem Brunnen, in dem leise Wasser plätscherte.
Die Vertreter von DigiCom waren bereits da; sie saßen n e beneinander an einer Seite des Tisches. Phil Blackburn, Mer e dith Johnson, ein Anwalt namens Ben Heller, den Sanders vom Sehen kannte, sowie zwei grimmig dreinblickende Anwälti n nen. Jede der Frauen hatte einen beeindruckenden Stapel fotokopierter Schriftstücke vor sich auf dem Tisch liegen.
Fernandez stellte sich Meredith vor; die beiden Frauen gaben einander die Hand. Dann wurde Sanders per Handschlag von Ben Heller begrüßt. Heller, ein rotgesichtiger, bulliger Mann mit silbrigem Haar und tiefer Stimme, war bekannt für seine glänzenden Beziehungen in Seattle. Auf Sanders wirkte er eher wie ein Politiker. Heller machte ihn nun mit den zwei Anwä l tinnen bekannt, deren Namen Sanders jedoch sofort vergaß.
»Hallo, Tom!« sagte Meredith.
»Meredith.«
Er konnte nur staunen, wie schön sie aussah. Sie trug ein blaues Kostüm mit einer cremefarbenen Bluse. Die Brille und das zurückgesteckte Haar ließen sie wie ein reizendes, wißb e gieriges Schulmädchen wirken. Heller tätschelte ihr sofort beruhigend die Hand, als wäre schon der kurze Wortwechsel mit Sanders für Meredith eine schreckliche Tortur gewesen. Sanders und Fernandez nahmen Johnson und Heller gegenüber Platz. Alle holten irgendwelche Papiere und Notizen hervor. Peinliche Stille senkte sich über den Raum, bis Heller eine Frage an Fernandez richtete: »Wie ist eigentlich die King-Power-Sache ausgegangen?«
»Zu unserer Zufriedenheit«, antwortete Fernandez.
»Ist die Summe schon festgesetzt?«
»Nächste Woche, Ben.«
»Wieviel wollen Sie denn?«
»Zwei Millionen.«
»Zwei Millionen ?«
»Sexuelle Belästigung ist eine sehr ernste Angelegenheit, Ben. Die Entschädigungssummen werden immer größer. Vor allem, wenn sich eine Firma derart schäbig verhält.«
In der gegenüberliegenden Wand wurde eine Tür geöffnet, und eine Frau Mitte 50 betrat den Raum. Sie wirkte sehr bestimmt und hielt sich auffallend gerade. Gekleidet war sie in ein dunkelblaues Kostüm, das sich kaum von dem Meredith’ unterschied.
»Guten Morgen«, sagte sie. »Ich bin
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