Enthüllung
viel größer, viel kräftiger. Man braucht ihn nur anzuschauen – ein brutaler, zu Gewalt neigender Mann. Das nette Äußere ist nur eine Maske. Sanders gehört zu den Männern, die ihre Aggressionen ausl e ben, indem sie wehrlose Frauen verprügeln.«
Garvin schwieg, sah Blackburn mit zusammengekniffenen Augen an und sagte schließlich: »Das schaffen Sie nie.«
»Ich denke doch.«
»Kein vernünftiger Mensch kauft uns das ab.«
»Ich denke schon, daß es uns jemand abkaufen wird.«
»Ja? Wer denn bitte?«
»Irgend jemand, ganz egal«, sagte Blackburn.
Das Auto fuhr an den Gehsteig heran. Garvin öffnete die Tür. »Also, ich weiß nur, daß wir ihn dazu bringen müssen, mit uns zu verhandeln. Wir müssen Druck auf ihn ausüben, damit er sich mit uns an einen Tisch setzt.«
»Ich denke, das läßt sich arrangieren«, sagte Blackburn.
Garvin nickte. »Sie haben es in der Hand, Phil. Sorgen Sie dafür, daß es klappt!« Er stieg in den Wagen. Blackburn folgte ihm. »Wo, zum Teufel, waren Sie?« brüllte Garvin den Fahrer an.
Die Tür wurde zugeschlagen. Der Wagen fuhr ab.
S anders fuhr mit Fernandez in Alans Wagen zum Schlic h tungszentrum zurück. Kopfschüttelnd hörte sich Fernandez Sanders’ Schilderung seines Gesprächs mit Garvin an. »Sie hätten nicht allein mit ihm sprechen dürfen. Wenn ich dabe i gewesen wäre, hätte er sich nicht so aufführen können. Hat er wirklich gesagt, daß man Frauen gegenüber Nachsicht walten lassen muß?«
»Ja.«
»Welch edler Mensch! Da hat er doch tatsächlich einen e h renwerten Grund gefunden, warum wir eine Frau, die Männer belästigt, schützen sollten. Das ist ein schöner Zug an ihm. Am besten lehnen wir uns alle zurück und erlauben ihr, das Gesetz zu brechen – bloß weil sie eine Frau ist. Wirklich reizend!«
Sanders taten diese Worte gut. Das Gespräch mit Garvin hatte ihn ziemlich mitgenommen. Es war ihm bewußt, daß Fernandez versuchte, ihn wieder aufzubauen, aber es funktionierte trot z dem.
»Das ganze Gespräch zwischen Garvin und Ihnen ist einfach lächerlich«, sagte sie. »Und dann hat er Ihnen also gedroht?«
Sanders nickte.
»Vergessen Sie’s. Das war reiner Bluff.«
»Sind Sie sicher?«
»Völlig sicher. Das war nur Gerede. Aber wenigstens wissen Sie jetzt, warum es immer heißt: Die Männer werden’s nie kapieren. Garvin hat Ihnen das gleiche gesagt, was seit Jahr und Tag jeder Chef in solchen Fällen sagt: Betrachte die Sache doch mal aus dem Blickwinkel des Belästigers. Was hat dieser Mensch denn so Schlimmes getan? Lassen wir das alles doch auf sich beruhen. Am besten gehen alle einfach wieder an die Arbeit, und dann sind wir wieder eine große glückliche Fam i lie.«
»Unglaublich«, sagte Alan, der den Wagen steuerte.
»Ja, heutzutage läßt sich das wirklich nur mehr als unglaublich bezeichnen«, stimmte Fernandez zu. »So kann man es einfach nicht mehr machen. Wie alt ist Garvin eigentlich?«
»An die 60.«
»Das erklärt einiges. Aber Blackburn hätte ihm sagen müssen, daß ein solches Verhalten völlig inakzeptabel ist. Dem Gesetz zufolge hat Garvin keine Wahl: Das mindeste ist, daß er Johnson versetzt, und nicht Sie. Und mit ziemlich großer Sicherheit müßte er sie eigentlich sogar entlassen.«
»Ich glaube nicht, daß er das tun wird«, sagte Sanders.
»Nein, natürlich wird er es nicht tun.«
»Sie ist sein Liebling.«
»Genauer gesagt: Sie ist seine Vizedirektorin«, erklärte Fe r nandez. Sie blickte aus dem Fenster, während der Wagen die Anhöhe zum Schlichtungszentrum hinauffuhr. »Sie müssen sich darüber im klaren sein, daß es bei all diesen Entscheidungen um Macht geht. Sexuelle Belästigung hat immer etwas mit Macht zu tun, und auch der Widerstand der Firma, sich damit auseina n derzusetzen, hat mit Macht zu tun. Macht schützt Macht. Und wenn eine Frau einmal innerhalb einer Machtstruktur aufg e stiegen ist, wird sie von dieser Struktur genauso geschützt wie ein Mann. Das ist dasselbe wie die Tatsache, daß Ärzte nicht zuungunsten anderer Ärzte aussagen. Dabei ist es völlig une r heblich, ob der Arzt ein Mann oder eine Frau ist. Ärzte sagen ganz einfach nicht gegen einen Kollegen aus, basta. Und leitende Firmenangehörige gehen Beschwerden gegen andere leitende Firmenangehörige, seien sie nun männlich oder wei b lich, einfach nicht nach.«
»Und Frauen hatten eben bisher keine solchen Positionen inne?«
»Genau. Aber sie kommen jetzt langsam in diese Positionen. Und können
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