Enthüllung
obwohl er dagegen protestierte. Und Sie legten auch Ihre eigene Kleidung ab, obwohl er dagegen protestierte. Da es sich bei Mr. Sanders um Ihren Untergebenen handelt, der hinsichtlich seiner Anstellung von Ihnen abhängig ist, fällt es mir schwer zu verstehen, warum dies nicht ein eindeutiger und unstreitiger, von Ihnen verschuldeter Fall von sexueller Belästigung sein soll.«
»Ich verstehe, was Sie meinen, Euer Ehren«, sagte Meredith Johnson seelenruhig. »Und ich weiß sehr wohl, daß ich meine Darstellung abgeändert habe. Aber der Grund, weshalb ich jetzt von einem Mißverständnis spreche, ist der, daß ich von Anfang an ehrlich glaubte, Mr. Sanders habe es auf eine sexuelle Begegnung mit mir abgesehen, und daß dieser Glaube mein gesamtes Verhalten leitete.«
»Sie streiten ab, ihn belästigt zu haben.«
»Ja, Euer Ehren, denn ich glaubte ja klare körperliche Hi n weise darauf zu haben, daß Mr. Sanders ein williger Mitwi r kender sei. An bestimmten Punkten übernahm er eindeutig die Initiative. Und nun muß ich mich natürlich fragen, warum er die Initiative übernahm – und sich dann so plötzlich verweigerte. Ich weiß nicht, warum er das tat. Aber ich glaube, daß auch er für den Vorfall Verantwortung übernehmen muß. Und genau deswegen sage ich mir, daß es letzten Endes ein echtes Mi ß verständnis war. Und ich möchte hinzufügen, daß ich meinen Anteil an diesem Mißverständnis bedaure – ehrlich und zutiefst bedaure.«
»Sie bedauern das Ganze also.« Murphy sah sich fassungslos im Raum um. »Kann mir irgend jemand hier erklären, was eigentlich los ist? Mr. Heller?«
Heller spreizte die Finger beider Hände. »Euer Ehren, meine Klientin hat mir mitgeteilt, was sie hier zu tun gedachte. Ich werte es als ein sehr mutiges Vorgehen. Ihr liegt wirklich daran, der Wahrheit auf die Spur zu kommen.«
»Ersparen Sie mir um Himmels willen dieses Geschwafel!« zischte Fernandez.
Judge Murphy schaltete sich wieder ein. »Ms. Fernandez, wünschen Sie in Anbetracht der grundlegend neuen Version von Ms. Johnson eine Pause, bevor Sie mit Ihrer Befragung for t fahren?«
»Nein, Euer Ehren. Ich kann gleich weitermachen.«
»Gut«, sagte Murphy verwundert. »In Ordnung.« Sie spürte offensichtlich, daß da etwas war, was alle Anwesenden wußten, nur sie nicht.
Sanders überlegte noch immer, von wem Meredith über das Band informiert worden war. Dann fiel sein Blick auf Phil Blackburn, der an der Schmalseite des Tisches saß und nervös an seinem vor ihm liegenden Handy herumspielte.
Aufgenommene Telefongespräche. Das mußte es sein.
DigiCom hatte offenbar jemanden – wahrscheinlich Gary Bosak – beauftragt, alle Unterlagen über Sanders durchzugehen, um Sachverhalte ausfindig zu machen, die gegen ihn benützt werden konnten. Bosak hatte daraufhin alle Anrufe überprüft, die Sanders von seinem Mobiltelefon aus geführt hatte. Dabei mußte er auf ein Gespräch gestoßen sein, das am Montag abend stattgefunden und 45 Minuten gedauert hatte. Das war ihm natürlich aufgefallen: enorm lange Dauer, enorm hohe Gebühr. Bosak hatte dann die genaue Uhrzeit des Gesprächs eruiert und sich zusammengereimt, was geschehen war. Es war ihm klargeworden, daß Sanders während dieser 45 Minuten am Montag abend nicht telefoniert hatte und daß es dafür nur eine Erklärung gab: Der Anruf war an einen Anrufbeantworter gegangen, und das wiederum bedeutete, daß es eine Aufzeic h nung davon geben mußte. Johnson hatte davon erfahren und ihre Geschichte entsprechend hingebogen. Deshalb also hatte sie es sich plötzlich anders überlegt.
»Ms. Johnson«, sagte Fernandez, »ich möchte zunächst ei n mal einige Punkte klären. Sagen Sie jetzt, daß Sie Ihre Sekret ä rin doch beauftragt haben, Wein und Kondome zu kaufen, und haben Sie sie doch gebeten, die Tür abzuschließen und Ihren Termin um 19 Uhr abzusagen, weil Sie damit rechneten, daß es zum Intimverkehr mit Mr. Sanders kommen würde?«
»Ja.«
»Mit anderen Worten – Sie haben vorhin gelogen.«
»Ich stellte nur meine Sichtweise dar.«
»Wir sprechen hier nicht über irgendeine Sichtweise, sondern über Tatsachen. Und in Anbetracht dieser Tatsachen würde es mich doch sehr interessieren, wie Sie zu der Ansicht kommen, daß auch Mr. Sanders Verantwortung für jene Vorfälle in Ihrem Büro trägt!«
»Weil ich das Gefühl hatte … weil ich glaubte, daß Mr. Sa n ders in mein Büro kam mit der klaren Absicht, sexuell mit mir zu verkehren, und weil er
Weitere Kostenlose Bücher