Enthüllung
kann daran nichts Schlimmes sehen.«
»Dann nehme ich nicht an, daß Sie –«
»Eine Aussage machen würden? Also, jetzt mal ernsthaft: Im Augenblick ist jede Menge Quatsch im Umlauf. Ich höre Sachen wie: ›Man darf nicht mit seinen Kollegen beziehungsweise Kolleginnen ausgehen.‹ Meine Güte – wenn ich mit meinen Kolleginnen nicht ausgehen dürfte, wäre ich immer noch Jungfrau! Mit wem soll man denn sonst ausgehen, wenn nicht mit den Leuten von der Arbeit? Das sind doch die einzigen Leute, die man kennenlernt. Und manchmal sind diese Leute eben Vorgesetzte. Was soll’s? Frauen bumsen mit Männern und machen Karriere. Männer bumsen mit Frauen und machen Karriere. Und überhaupt bumst doch sowieso jeder mit jedem, soweit es eben möglich ist – einfach, weil die Leute Lust dazu haben. Ich meine, Frauen sind doch genauso geil wie Männer. Die wollen es genauso wie wir. So ist das Leben. Aber dann sind plötzlich ein paar Leute sauer und beschweren sich und sagen: ›Nein, nein, mit mir könnt ihr das nicht machen!‹ Ich sage Ihnen, das ist völliger Quatsch! Der gleiche Quatsch wie diese Sens i bilisierungsseminare, die wir alle absolvieren müssen. Da sitzen dann alle, die Hände im Schoß wie bei einer Versammlung der Roten Garden, und lernen, wie sie ihre Kollegen korrekt anzusprechen haben. Und wenn es vorbei ist, gehen alle raus und vögeln sich durch die Gegend wie zuvor. Die Sekretärinnen sagen: ›Oh, Mr. Jackson, waren Sie im Fitneßclub? Sie sehen so stark aus!‹ – und klimpern mit den Wimpern. Und was soll ich, bitte schön, dagegen unternehmen? Für so was kann man doch keine Regeln aufstellen! Wenn die Leute hungrig sind, essen sie, egal wie viele Seminare sie absolviert haben. Das Ganze ist doch eine einzige gigantische Verarschung. Und jeder, der es ernst nimmt, ist für mich ein Idiot.«
»Ich denke, damit haben Sie meine Frage beantwortet«, sagte Sanders und stand auf. Jackson war eindeutig nicht gewillt, ihm zu helfen.
»Passen Sie auf«, sagte Jackson. »Es tut mir leid, daß Sie ein Problem damit haben. Aber heutzutage sind alle so verdammt sensibel. Ich kenne Leute, junge Leute, die gerade vom College kommen, die allen Ernstes glauben, man sollte nie im Leben auch nur einen einzigen unangenehmen Augenblick durchst e hen müssen. Niemand darf ihnen jemals etwas sagen, das ihnen nicht paßt, oder einen Witz erzählen, der ihnen nicht gefällt. Aber es ist doch nun mal so, daß niemand die Welt so machen kann, wie diese Leute sie haben wollen. Es passieren eben immer wieder Dinge, die peinlich oder kränkend sind. So ist das Leben. Jeden Tag höre ich, wie Frauen Witze über Männer erzählen. Ziemlich üble Witze, schmutzige Witze. Aber das kann mich doch nicht aus der Fassung bringen! Das Leben ist schön. Wer hat da schon Zeit für diesen Quatsch? Ich jedenfalls nicht.«
A ls Sanders aus dem Aldus Building trat, war es 17 Uhr. Müde und entmutigt ging er zurück zum Hazzard Building. Die Straßen waren naß, aber es hatte aufgehört zu regnen, und das Licht der Nachmittagssonne bahnte sich mühsam einen Weg durch die Wolken.
Zehn Minuten später war er wieder in seinem Büro. Cindy saß nicht an ihrem Schreibtisch, und Fernandez war schon lange weg. Er fühlte sich verlassen, einsam, hoffnungslos. Er setzte sich und wählte die letzte Nummer auf seiner Liste.
»Squire Electronic Data Systems, guten Tag.«
»Bitte verbinden Sie mich mit dem Büro Frederic Cohen.«
»Tut mir leid, aber Mr. Cohen ist heute schon gegangen.«
»Wissen Sie, wo ich ihn erreichen kann?«
»Nein, leider nicht. Wollen Sie eine Nachricht hinterlassen?«
Verdammt, dachte er. Es war doch völlig sinnlos! Aber er sagte trotzdem: »Ja, bitte.«
Er hörte ein Klickgeräusch und dann eine Tonbandansage: »Hi, hier ist Fred Cohen. Hinterlassen Sie nach dem Pfeifton eine Nachricht. Wenn Sie nach Geschäftsschluß anrufen, können Sie versuchen, mich unter der Nummer meines Aut o telefons – 502-8804 – oder unter meiner Privatnummer – 505-9943 – zu erreichen.«
Sanders kritzelte die Nummern auf ein Blatt Papier. Als erstes wählte er das Autotelefon an. Zunächst hörte er nur ein Ra u schen, dann sagte ein Mann: »Ich weiß, Liebling – tut mir leid, daß es so lange gedauert hat, aber ich bin schon unterwegs. Ich bin aufgehalten worden.«
»Mr. Cohen?«
»Oh.« Er schwieg verdutzt. »Ja, hier ist Fred Cohen.«
»Mein Name ist Tom Sanders. Ich arbeite drüben bei DigiCom, und –«
»Ich
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