Enthüllung
genau, was da passiert ist: Meredith flog hin und änderte die Spezifikationen. Aber dann löschte sie alle diesbezüglichen Unterlagen, bis hin zu den Aufzeichnungen ihrer Gespräche mit Kahn. Und das bedeutet, daß ich nichts beweisen kann.«
Sanders hakte das Blatt ab; es flatterte zurück und verschmolz mit dem ersten Blatt. Er schloß die Datei, legte sie zurück in die Schublade und sah zu, wie das Modell sich auflöste und ve r schwand.
Er warf einen Blick zu Conley hinüber, aber von dem kam nur ein resigniertes Achselzucken. Er schien zu verstehen, worum es ging. Sanders gab ihm die Hand, wobei er wieder nur Luft zu fassen bekam, und winkte ihm zum Abschied zu. Conley nickte kurz und wandte sich ab, um den Rückweg anzutreten.
»Und jetzt?« fragte Fernandez.
»Wir müssen gehen«, sagte Sanders.
Der Engel begann zu singen: »Ja, ja, ihr müßt jetzt geh’n, doch wird’s beim nächstenmal noch mal so schön –«
»Engel, sei still!« Der Engel hörte auf zu singen. Sanders schüttelte den Kopf. »Genau wie Don Cherry!«
»Wer ist Don Cherry?« fragte Fernandez.
»Don Cherry ist ein lebender Gott«, verkündete der Engel.
Sie gingen zurück zum Eingang des Korridors und traten aus dem blauen Bildschirm.
F ernandez und Sanders standen wieder in Don Cherrys Labor. Sanders nahm den Datenhelm ab und stieg, noch ein wenig unsicher, von der Lauffläche. Dann half er Fernandez, Helm und Kopfhörer abzulegen.
»Ah!« rief sie und sah sich um. »Wir sind wieder in der realen Welt!«
»Wenn Sie es so nennen wollen«, sagte Sanders. »Ich bin mir nicht so sicher, ob sie wirklich soviel realer ist.« Er hängte ihren Datenhelm auf und half ihr, von der Lauffläche zu steigen. Dann knipste er die Stromschalter aus.
Fernandez gähnte und warf einen Blick auf ihre Uhr. »Es ist elf. Was wollen Sie jetzt machen?«
Er nahm den Hörer von einem von Cherrys Datenmodems ab und wählte Gary Bosaks Nummer. Er selbst kam zwar an keine Daten heran, aber Gary Bosak vielleicht – wenn es Sanders gelang, ihn zu überreden. Große Hoffnung hegte er nicht. Aber er wußte nicht, was er sonst hätte tun sollen.
Es meldete sich ein Anrufbeantworter: »Hi, hier ist NE Pr o ductions. Ich bin ein paar Tage lang nicht in der Stadt, aber Sie können eine Nachricht hinterlassen.« Dann der Pfeifton.
Sanders seufzte tief auf. »Gary, es ist 23 Uhr, Mittwoch. Schade, daß ich dich nicht angetroffen habe. Ich fahre jetzt nach Hause.« Er legte auf.
Gary war seine letzte Hoffnung gewesen.
Verreist.
Für ein paar Tage die Stadt verlassen.
»Scheiße!«
»Und jetzt?« fragte Fernandez gähnend.
»Ich weiß nicht. In einer halben Stunde legt meine letzte Fähre ab. Ich fahre wohl am besten heim und versuche ein bißchen zu schlafen.«
»Und die Sitzung morgen?« fragte Fernandez. »Sie sagten doch, Sie brauchten Unterlagen.«
Sanders zuckte die Achseln. »Louise, ich habe getan, was ich konnte. Ich weiß, was mich erwartet. Irgendwie schaffe ich das schon.«
»Dann sehen wir uns also morgen?«
»Ja. Wir sehen uns morgen.«
W ährend er mit der Fähre nach Hause fuhr, den Blick auf die Lichter der Stadt gerichtet, die sich im ruhigen, schwarzen Wasser spiegelten, war er schon weit weniger zuversichtlich. Fernandez hatte recht: Er mußte sich die Unterlagen verscha f fen, die er brauchte. Max hätte ihn bestimmt verhöhnt, wenn er jetzt dagewesen wäre. Er konnte die Stimme des alten Mannes förmlich hören: »Ach, müde sind Sie also! Das ist wahrlich ein triftiger Grund, Thomas.«
Er überlegte, ob Max an der Sitzung teilnehmen würde, aber er konnte sich nicht richtig konzentrieren. Es gelang ihm nicht, sich diese Sitzung überhaupt vorzustellen. Er war einfach zu erschöpft. Über Lautsprecher wurde verkündet, daß man in fünf Minuten in Winslow anlegen werde. Sanders ging unter Deck, um in seinen Wagen zu steigen.
Er sperrte die Tür auf und setzte sich hinters Lenkrad. Als sein Blick in den Rückspiegel fiel, sah er im Fond eine dunkle Silhouette.
»He, Kumpel!« Es war Gary Bosak.
Sanders wollte sich zu ihm umdrehen. »Immer schön ger a deaus schauen!« sagte Bosak. »In einer Minute bin ich wieder draußen. Jetzt hör mir gut zu! Morgen bist du dran: Die wollen das Malaysia-Fiasko ausschließlich dir anhängen.«
»Ich weiß.«
»Und wenn das nicht klappt, können sie dich immer noch damit zur Strecke bringen, daß du mich beschäftigt hast. Eingriff in die Privatsphäre, dieser ganze Scheiß. Die haben
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