Enthüllung
das ist wirklich –«
» Ich hab’ die Milch reintun wollen!« Sie kletterte von ihrem Stuhl, warf sich auf den Boden und strampelte wild mit den Beinen. »Tu sie raus! Tu die Milch raus!«
Seine Tochter pflegte sich mehrmals täglich so aufzuführen. Es war, so hatte man ihm versichert, nur eine Phase. Den Eltern riet man in solchen Fällen, mit Bestimmtheit zu reagieren.
»Tut mir leid«, sagte Sanders noch einmal, »aber du wirst das wohl essen müssen, Lize.« Er setzte sich neben Matt, um ihn zu füttern. Matt patschte mit der Hand in die Flocken, schmierte sie sich über die Augen und begann ebenfalls zu weinen.
Sanders holte ein Geschirrtuch und säuberte Matts Gesicht. Die Küchenuhr zeigte mittlerweile fünf vor acht. Es war wohl besser, im Büro anzurufen und die Kollegen über seine Ve r spätung vorzuwarnen. Aber erst mußte er Eliza beruhigen, die noch immer auf dem Fußboden lag, mit den Füßen trat und ihren Zorn über die Milch hinausbrüllte. »Also gut, Eliza. Aber ganz ruhig jetzt, ganz ruhig, ja?« Er holte eine andere Schüssel, schüttete Flocken hinein und drückte Eliza einen Milchkarton in die Hand. »Da!«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sagte schmo l lend: »Ich mag nicht.«
»Eliza, du schüttest jetzt sofort diese Milch in die Schüssel!«
Eliza kletterte betont langsam auf ihren Stuhl. »Okay, Dad.«
Sanders setzte sich, wischte noch einmal über Matts Gesicht und begann seinen Sohn zu füttern. Sofort hörte das Weinen auf; der Junge schlang die Flocken gierig hinunter. Das arme Kind hatte wirklich Hunger. Eliza stellte sich auf ihren Stuhl, hob den Milchkarton auf und verschüttete den Inhalt über den ganzen Tisch. »Oh-oh …«
»Halb so schlimm.« Das Geschirrtuch in der einen Hand, wischte Tom die Milch auf, während er mit der anderen Hand Matt weiterfütterte.
Eliza zog die Schachtel mit den Flocken ganz dicht an ihre Schüssel, stierte das Goofy-Bild auf der Rückseite an und begann zu essen. Matt neben ihr schluckte in stetem Rhythmus. Eine Zeitlang war es still in der Küche.
Sanders warf über die Schulter einen Blick auf die Uhr: schon fast acht. Er mußte im Büro anrufen.
Susan trat in die Küche. Sie trug Jeans und einen beigefarb e nen Pullover und wirkte ausgesprochen entspannt. »Tut mir leid, daß ich es nicht auf die Reihe gekriegt habe«, sagte sie. »Danke fürs Frühstückmachen.« Sie gab ihm einen Kuß auf die Wange.
»Bist du glücklich, Mom?« fragte Eliza.
»Ja, mein Schatz.« Susan lächelte ihrer Tochter zu und wandte sich wieder an Tom. »Ich übernehme das hier jetzt. Du darfst nicht zu spät kommen. Ist nicht heute der große Tag? Heute soll doch deine Beförderung bekanntgegeben werden.«
»Hoffentlich.«
»Ruf mich an, sobald du etwas erfahren hast.«
»Mach’ ich.« Sanders stand auf, zog das um seine Hüften gewickelte Handtuch straff und lief nach oben, um sich anz u ziehen. Kurz vor dem Ablegen der Fähre gab es immer viel Verkehr in der Stadt. Er mußte sich beeilen, wenn er sie nicht verpassen wollte.
E r parkte den Wagen wie immer hinter Rickys Shell-Tankstelle und lief den überdachten Gehweg zur Fähre hinunter. Nur Sekunden ehe sie die Rampe hochzogen, ging er an Bord. Unter seinen Füßen stampften die Maschinen. Er ging durch die Türen hinaus aufs Hauptdeck.
»Hi, Tom!«
Er warf einen Blick über die Schulter. Dave Benedict kam von hinten auf ihn zu. Benedict war Anwalt in einer Sozietät, die viel mit High-Tech-Unternehmen zu tun hatte. »Sie haben die 7-Uhr-50er auch verpaßt, was?« sagte Benedict.
»Ja. Ein verrückter Morgen.«
»Wem sagen Sie das! Ich wollte schon vor einer Stunde im Büro sein. Aber das Schuljahr ist zu Ende, und jetzt weiß Jenny nicht, was sie mit den Kindern tun soll, bis das Feriencamp beginnt.«
»Hm.«
»Das reinste Tollhaus bei mir daheim«, murmelte Benedict kopfschüttelnd.
Eine Weile schwiegen beide. Sanders spürte, daß er und Benedict einen ähnlich gearteten Morgen hinter sich hatten. Aber darüber sprachen die zwei Männer nicht weiter. Sanders wunderte sich oft darüber, daß Frauen die intimsten Einzelheiten ihrer Ehe mit ihren Freundinnen besprachen, während bei Männern stets diskretes Schweigen vorherrschte.
»Na, sei’s drum«, sagte Benedict schließlich. »Wie geht es Susan?«
»Gut. Sehr gut.«
Benedict sah an ihm herunter und grinste. »Und warum humpeln Sie dann?«
»Touch-Football, Betriebsmannschaftsspiel am Samstag. Ist ein bißchen außer
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