Enthüllung
Hotelrestaurant. Vom Eingang aus sah er Dorfman an einem Ecktisch sitzen; er aß mit Garvin und Stephanie Kaplan zu Abend. Max schwang wieder einmal große Reden, die er mit zackigen Handbewegungen unterstrich. Garvin und Kaplan hatten sich vorgebeugt und lauschten aufmerksam. Sanders fiel ein, daß Dorfman früher einmal Mitglied des Verwaltungsrates von DigiCom gewesen war – ein sehr mächtiges Mitglied, wie man sich erzählte. Dorfman war es gewesen, der Garvin überredet hatte, mehr als nur Modems herzustellen und auf den Markt für Mobiltelefone und drahtlose Kommunikationsmittel zu expandieren – damals, als noch kein Mensch eine mögliche Verbindung zwischen Computern und Telefonen erkannte. Heutzutage lag diese Verbindung auf der Hand, nicht aber in den frühen 80er Jahren, als Dorfman zu Garvin gesagt hatte: »Ihre Zukunft liegt nicht in der Hardware. Ihre Zukunft liegt auf dem Gebiet der Kommunikationsmittel. Zugang zu Informat i onen – das ist es, worauf es ankommt.«
Auch auf die personelle Zusammensetzung der Firma hatte Dorfman großen Einfluß gehabt. So verdankte Stephanie Kaplan ihre Position angeblich vor allem seiner bedingungsl o sen Unterstützung, Sanders selbst hatte man auf Dorfmans Empfehlung hin nach Seattle geholt, und Mark Lewyn war mit seiner Vermittlung eingestellt worden. Andererseits waren nicht wenige Vizedirektoren im Lauf der Jahre gegangen, weil Dorfman ihre visionäre Kraft und ihr Durchhaltevermögen nicht für ausreichend erachtete. Er war ein mächtiger Verbündeter und ein tödlicher Gegner.
Und jetzt, kurz vor der Fusion, war seine Position stark wie eh und je. Dorfman hatte sich zwar schon vor Jahren aus dem Verwaltungsrat zurückgezogen, besaß aber noch einen großen Anteil an DigiCom-Aktien. Garvin hörte noch immer auf ihn. Und in den entsprechenden Geschäfts-und Finanzkreisen verfügte er noch über die Kontakte und das Prestige, mit deren Hilfe eine solche Fusion sehr viel einfacher zu bewerkstelligen war. Wenn Dorfman den Konditionen der Fusion zustimmte, würden seine Bewunderer bei Goldman und Sachs und bei der First Boston das Geld problemlos lockermachen. Sollte Dorfman jedoch Mißfallen zeigen, sollte er auch nur andeuten, daß er die Fusion der beiden Firmen nicht für sinnvoll hielt, dann war es durchaus möglich, daß der Unternehmenszusa m menschluß nicht zustande kam. Alle wußten das. Alle kannten den Einfluß, den er ausübte – ganz besonders Dorfman selbst.
Sanders blieb am Eingang zum Hotelrestaurant stehen und versuchte, Max’ Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Nach einer Weile hob Max den Blick und sah ihn. Weiterdozierend, schüttelte er einige Male ruckartig den Kopf: Nein. Dann klopfte er, während er auf seine Tischnachbarn einredete, kaum mer k lich auf seine Armbanduhr. Sanders nickte, ging in die Lobby zurück und setzte sich. Er sah den Stapel mit den ComLine-Kopien noch einmal durch, studierte die Veränd e rungen, die Meredith ihrem Äußeren hatte angedeihen lassen.
Wenige Minuten später kam Dorfman in seinem Rollstuhl auf ihn zu. »Na, Thomas. Ich bin froh, daß Sie ein so wenig lan g weiliges Leben führen!«
»Was soll das heißen?«
Dorfman lachte auf und machte eine Handbewegung zum Restaurant hin. »Da drin reden sie von nichts anderem. Das einzige Thema des Abends sind Sie und Meredith. Alle sind sehr aufgeregt. Und so besorgt .«
»Bob auch?«
»Ja, selbstverständlich, Bob auch.« Er rollte näher an Sanders heran. »Ich kann jetzt nicht mit Ihnen reden. Geht es um etwas Besonderes?«
»Ich dachte, Sie sollten sich das hier mal ansehen«, sagte Sanders und reichte Dorfman die Kopien. Er wollte, daß Dorfman diese Fotos Garvin zeigte, daß er Garvin klarmachte, was wirklich gespielt wurde.
Eine Weile betrachtete Dorfman die Fotos schweigend. »Eine wunderbare Frau«, sagte er schließlich. »So wunderschön …«
»Achten Sie doch mal auf den Unterschied, Max! Sehen Sie doch nur, was sie mit sich gemacht hat!«
Dorfman zuckte mit den Achseln. »Sie hat ihre Frisur verä n dert. Steht ihr ausgezeichnet. Na und?«
»Ich glaube, sie hat sich auch das Gesicht operieren lassen.«
»Das würde mich nicht überraschen«, erklärte Dorfman. »Heutzutage machen das viele Frauen. Für sie ist es fast das gleiche, wie sich die Zähne zu putzen.«
»Mir jagt es Schauder den Rücken hinunter.«
»Warum denn?«
»Weil es hinterhältig ist, deswegen.«
»Was soll daran hinterhältig sein?« fragte Dorfman mit einem
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