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Enthuellungen eines Familienvaters

Enthuellungen eines Familienvaters

Titel: Enthuellungen eines Familienvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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höherer Ordnung aber übernatürlichen Charakters sind. Und plötzlich versteht man nicht mehr das geringste .
    Ich ging hinaus und kam mir vor wie mein eigener Leichnam. Spät abends kam ich zurück.
    „Nichts“, sagte Margherita.
    Es verging eine Nacht voller Alpträume.
    Am Morgen lasen wir aufmerksam die Zeitungen und zitterten davor, die Todesnachricht zu finden. Dann lasen wir die Nachmittagsblätter.
    „Vielleicht wäre es gut, den ,Gazzettino di Venezia’ zu abonnieren“, bemerkte Margherita. „Da steht alles drin, was in Venedig passiert.“
    „Ich bin bekannt genug“, antwortete ich; „wenn sie mich ertrunken auffänden, würden alle Zeitungen die Nachricht veröffentlichen, sogar die von der äußersten Linken.“
    „Das beruhigt mich ein bißchen“, sagte Margherita.
    Später ging Margherita hinunter, um einen Blick in den Briefkasten zu werfen. Kurz darauf kam sie in mein Arbeitszimmer. „Sie ist angekommen!“ keuchte sie, meine Karte schwenkend. Eine einfache Fehlleitung, ein langer Irrweg.
    Wir sahen die Karte lange an.
    „Es ist, als wärest du aus Sibirien zurückgekehrt“, seufzte Margherita.
    „Endlich ist auch das zu Ende“, seufzte ich,
    „Das Leben geht weiter“, schloß Margherita.
    Man hörte Lärm in der Küche. Wir liefen hinaus. Albertino, das Metermaß in der Hand, versuchte vergeblich, Carlotta abzumessen. „Ich habe als Aufgabe die Beschreibung meiner Schwester“, erklärte er.
    „Die Eltern und die Geschwister darf man weder wägen noch messen!“ rief Margherita.
    Und so wurde der Aufsatz Albertinos etwas ganz Erbarmungswürdiges: „Mein Schwesterchen ist 1 Mädchen und hat 2 Augen, 2 Beine, 2 Ohren, 2 Arme, 1 Kopf, 1 Mund, 1 Nase und 2 Nasenlöcher, mit denen sie sich schneuzt. Ich habe mein Schwesterchen gern, aber es wäre mir lieber, wenn es 1 Brüderchen wäre.“

Man wird alt

    Wieder vergeht ein Jahr. Man wird alt, und am schwülen Nachmittag des Lebens ist es erfreulich, die Frische der Jugend wiederzufinden und ein Bad in den Erinnerungen zu nehmen. Zum Beispiel an die erste Liebe zurückzudenken.
    Heute bin ich dick, längst kein Knabe mehr, sondern Vater eines Knaben, der für drei zählt. Einst war ich flink wie ein Reh, sorglos und unschuldig.
    Es war Juli, und ich ging auf einem Bergweg spazieren. So kam ich in ein grünes Tal, das bis an den Rand mit Schweigen angefüllt war. Und die Frau erschien mir plötzlich wie in einem Gedicht: zu Fuß, weiß gekleidet, mit großen Volants am Rock und einem leuchtend weißen Sonnenschirm, der ihr Gesicht ein wenig beschattete. Sie war groß und üppig. Sie blieb vor mir stehen und fragte mich mit süßer und schmachtender Stimme nach dem Weg ins Dorf. Ich antwortete ihr, daß auch ich dorthin ginge, und bot ihr meine Begleitung an.
    Unterwegs wunderte sich die Dame mit viel Anmut, daß ich bei meiner Jugend so einsam durch diese melancholische Gegend streife. Ich bewegte mich nicht sehr unbefangen in meinen langen Hosen; dafür aß ich unbefangen ein halbes Kilo Castagnaccia zum Frühstück und ein Waschbecken voll Suppe zweimal am Tag. Ich liebte Johannisbrot und getrocknete Kastanien.
    „Ich hasse den Lärm“, seufzte ich. „Die Einsamkeit fördert meine Gedanken.“
    Das süße und majestätische Geschöpf fragte beunruhigt: „Denken Sie viel?“
    Ich ging gesenkten Kopfes dahin, die ausgegangene Zigarette klebte mir in einem Mundwinkel, und mit einem Stock, den ich kurz vorher abgebrochen hatte, köpfte ich die Ranunkeln und schlug die Nadeln von den Wacholderbüschen, die längs des schmalen Weges standen. Eine Haarlocke hing mir in die Stirn.
    „Vielleicht zu viel“, antwortete ich bitter und senkte den Kopf noch tiefer. Und ich erinnere mich, daß ich gerade in diesem Augenblick mit dem Kopf gegen einen verdammten Ast stieß, der hinterlistig über den Weg hing und den ich, vollgepfropft von Skeptizismus, nicht sehen konnte.
    „Sind Sie unglücklich?“ fragte die Dame mitfühlend, während ich fühlte, wie mir auf der Stirn eine nicht unbeträchtliche Beule wuchs. Ich versetzte einem Bäumchen einen gewaltigen Hieb, aber ich verfehlte es, und der Stock traf mich mit Wucht am Knöchel des rechten Fußes.
    „Selbst wenn das Glück auf dieser wunderlichen Welt existiert“, erklärte ich mit ruhiger Stimme, während ich vor Schmerz am liebsten geschrien hätte, „kann ich als unglücklich betrachtet werden.“
    „Sie müssen viel geliebt und viel gelitten haben“, seufzte die Dame.

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