Enthuellungen eines Familienvaters
Eindruck, daß Giacinto ein Schlingel ist. Tüchtig muß er ja sein, denn Leute wie Victor Hugo vertraut man nicht dem ersten besten an. Doch das ändert die Lage nicht.
Der Jammer ist aber vor allem, daß er Camillo und Roberto, diese ausgezeichneten Schutzengel, zu verderben trachtet. Und das darf nicht geschehen.
Es ist noch nicht lange her. Ich wollte im besten Lehnstuhl des Hauses einen Augenblick ausruhen, um Radio zu hören.
Die süße Frau, die durch ein kühnes Manöver aus einem Jüngling einen lebenslänglich Gebundenen gemacht hat, war zusammen mit ihrem schreienden Nachwuchs zu Bett gegangen.
Ich war allein, dem Radio entströmten schmachtende Weisen, und der Lehnstuhl war, wenn ihm auch nichts entströmte, bequem.
Es war also meine Pflicht als Bürger und Kunde, mit einem holden Lächeln auf den Lippen und der brennenden Zigarette zwischen Mittel- und Zeigefinger der linken Hand einzuschlafen, indem ich es so einrichtete, daß die Glut, wenn sie mit meinem linken Hosenbein in Berührung kam, langsam, aber sicher in besagtem Kleidungsstück ein Loch von beachtlichem Durchmesser erzeugen konnte. Nachdem die hierzu nötige Zeit vergangen war und die Glut in direkte Berührung mit der Oberfläche meines Oberschenkels kam, erwachte ich. Dem Radio entströmten eigenartige Geräusche.
Und das war auch nicht weiter verwunderlich, denn an den Knöpfen des Apparats hantierten zwei sonderbare Burschen mit weißem Hemd und blauen Flügeln. Ich erkannte sie auch sofort, obwohl ich nur ihre Schultern sah; der eine war Giacinto, mein Schutzengel, und der andere war Camillo, der Schutzengel Margheritas.
Was hatten die beiden Schutzengel wohl mit meinem alten Fünf-Röhren-Empfänger im Sinn?
Ganz einfach: sie suchten Radio London.
Ich stieß einen Schrei aus, und die beiden Schutzengel drehten sich mit einem Ruck herum.
„Wollt ihr mich kompromittieren?“ sagte ich streng.
Camillo senkte verlegen das Haupt, Giacinto hingegen fing schlechtgelaunt zu brummen an.
„Es wird so weit kommen, daß ich mir einen anderen Schutzengel suche!“ rief ich; und Giacinto grinste spöttisch. Der Unverschämte nützt es aus, daß man heutzutage kaum unbeschäftigte Schutzengel findet. Aber ich bin zu allem entschlossen und teilte ihm das mit: „Da gibt es nichts zu brummen, mein Lieber; ich komme auch sehr gut ohne Schutzengel aus.“
Giacinto zuckte die Flügel, dabei lächelte er ironisch, und das ärgerte mich.
„Ich habe mich immer allein zurechtgefunden!“ rief ich und stemmte hie Hände in die Hüften.
„Als Sie zwei Jahre alt waren — wenn ich da nicht gewesen wäre, wären Sie in die Grube im Garten gefallen“, antwortete Giacinto frech. „Ich habe nie ein unvernünftigeres zweijähriges Kind gesehen.“
Ich hielt ihm verdrießlich entgegen, es sei leicht, sich einem zweijährigen Kind überlegen zu fühlen.
„Na schön“, sagte Giacinto. „Wie alt waren Sie im Jahre 1937? Vierunddreißig Jahre, wenn ich nicht irre!“
Das gab ich zu.
„Und am 5. August 1937, um 5 Uhr 30 früh, wer hat da auf Sie achtgegeben, als Sie am Volant Ihres Autos eingeschlafen waren und drauf und dran waren, im Kanal von Pavia zu versinken?“
„Und wer hat es zugelassen, daß ich einschlief?“ replizierte ich. „Wer hat denn, statt mich nach einer arbeitsreichen Nacht...“
„Nach einer Nacht mit Tanz im Freien und Spirituosen“, unterbrach Giacinto.
„Wer hat denn, statt mich zu behüten, auf dem Rücksitz des Autos friedlich geschlummert? Ich habe nicht umsonst einen Rückspiegel und zwei Augen, werter junger Mann! Ich habe Sie gesehen, Herr Giacinto!“
„Ich kenne das Reglement! Der Schutzengel darf nicht vorgreifen, er darf nur im Ernstfall einschreiten. Artikel drei, zweiter Absatz.“
„Ach! Und warum bist du nicht im Ernstfall eingeschritten, als ich im Begriff war, mich zu verheiraten, sondern hast mich in den Ehestand eingehen lassen?“
Nun trat aber Camillo, Margheritas Schutzengel, aus seiner Reserve hervor und erklärte kategorisch: „Meine Schutzbefohlene stellt doch keine Gefahr dar, geehrter Herr! Ebensogut könnte sie mir vorwerfen, daß ich sie nicht energisch vor Ihnen bewahrt habe!“
Ich wollte ihm schon antworten, daß ich seine Schutzbefohlene besser kenne als er, doch plötzlich hörte man aus dem Schlafzimmer einen Plumps und einen Schrei.
„Das Kind!“ rief ich.
„Nein“, erklärte Giacinto, der schnell wie der Blitz gegangen und wiedergekommen war, „die süße Frau
Weitere Kostenlose Bücher