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Enthuellungen eines Familienvaters

Enthuellungen eines Familienvaters

Titel: Enthuellungen eines Familienvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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begegneten wir einander doch, oder er erspähte mich von der anderen Straßenseite. Dann blieb er stehen, schaute mich düster an und rief schließlich: „Ja, ja, die fünfhundert Lire, die fünfhundert Lire! Ich weiß, ich weiß, du brauchst es mir nicht zu sagen!“
    Doch im Lauf der Zeit beruhigte sich Filippo. Als er mich nach zwei Jahren traf, beschränkte er sich darauf, sarkastisch zu lächeln und mit dem Kopf zu nicken. Nach vier Jahren begann ich, ruhig durch die Straßen zu gehen. Filippo bewegte den Kopf nicht mehr; er begnügte sich damit, mich sarkastisch anzulächeln.
    Im Jahre 1940 schaute er mich endlich ohne Sarkasmus an. Im Februar 1941 begann er, mich lächelnd und mit einer freundlichen Handbewegung zu grüßen. Als wir einander im Juni desselben Jahres im Kino trafen, sprachen wir über Schauspielerinnen. Im August fragte er mich im Café, wie es Albertino gehe. Im November nahmen wir unsere herzlichen Beziehungen wieder auf und schwatzten jedesmal fröhlich, wenn wir einander trafen.
    All das hat bis heute gedauert. Heute ist Filippos Sohn mit einem Billett zu mir gekommen:
    „Lieber Giovannino, Du mußt vielmals entschuldigen, wenn ich mir erlaube, Dich zu belästigen, aber eine plötzliche Zwangslage veranlaßt mich, das zu tun, was ich sonst bei einem alten Freund nie getan hätte. Ich wäre Dir unendlich dankbar, wenn Du mir die fünfhundert Lire zurückgeben könntest, die ich Dir, Du erinnerst Dich wohl, im Juni oder Juli 1935 geliehen habe, als wir einander in der Lindenallee getroffen hatten. Ich danke Dir von Herzen. Dein Filippo.“
    Ich tat einen Fünfhundert-Lire-Schein in einen schönen weißen Umschlag und übergab ihn Filippos Sohn.
    „Ich danke deinem Papa vielmals; und sage ihm, bitte, er möge meine Vergeßlichkeit entschuldigen.“
    So sagte ich; dann ging ich, um nach Albertino zu sehen, der eben dabei war, meinen Photoapparat mit gelber Schuhcreme einzuschmieren. Und ich war sehr glücklich.

Über den Starrsinn

    Den Leuten gefallen die Geschichten, in denen Er Ihr begegnet und dann Sie Ihm begegnet und dann beide einander begegnen, aber Er sich in Sie verliebt, während Sie auf Ihn pfeift, weil Sie einen anderen liebt, welcher andere seinerseits nur vorgibt, Sie zu lieben, während Er in Wirklichkeit eine andere liebt, die ihrerseits wiederum den siebenunddreißigjährigen Gatten und mehrfachen Vater Giacomino Persighetti liebt und so weiter. Nachher ergeben sich derartige Komplikationen, daß am Ende Er Sie und Sie Ihn heiratet und sie glücklich und zufrieden leben bis zu dem schönen Alter von hundertsechsundachtzig Jahren, er dreiundneunzig und sie dreiundneunzig.
    Das sind die Geschichten, die den Leuten gefallen. Und die Leute haben nicht einmal unrecht. Auch ich möchte, wenn ich ins Kino gehe, daß am Ende des Films die zwei heiraten und glücklich leben, und ich werde wütend, wenn sie statt dessen sterben oder für immer auseinandergehen.
    Diese sympathischen Geschichten von Leuten, die am Ende zusammenkommen, um glücklich und zufrieden zu leben, bedeuten jedoch gar nichts. Sie unterhalten, aber sie belehren nicht. Viel nützlicher sind die Geschichten in der Art derjenigen von Sam.

    Folgendes erzählt Sam, und Sam ist ein aufrichtiger Mensch, weshalb man ihm glauben muß.
    »Ich bin am 15. August 1931 gestorben. Ich weiß nicht genau, wie die Geschichte passiert ist. Tatsache ist, daß ich mich eines Tages am Fußende meines Bettes befand, auf dem ein junger Mann mit geschlossenen Augen und langem Bart ausgestreckt lag. Ich schaute mich mit Wohlgefallen an. Damals war ich dick und machte eine gute Figur; ich war wirklich eine schöne Leiche.
    Ich blickte in den Spiegel; ich war im Hemd, und hinter meinen Schultern waren mir zwei anmutige blaue Flügel gewachsen, meine Lieblingsfarbe! Die anderen konnten mich nicht sehen. Rings um mein Bett standen Freunde, Verwandte, Eltern. Einer weinte, die anderen unterhielten sich leise. Plötzlich kam meine Braut, kniete vor dem Bett nieder und begann heftig zu weinen. Ein Herr berührte sie diskret an der Schulter. ,Fräulein’ , sagte er zu ihr, ,Sie brauchen nicht zu weinen. Wir haben festgesetzt, daß immer nur einer weinen soll. Ihr Turnus ist von siebzehn bis achtzehn Uhr.’ Meine Braut trocknete sich die Augen und begann in einer Zeitschrift zu blättern, um sich die Zeit zu vertreiben.
    Ein Laufbursche kam mit einem Billett und übergab es dem ehrwürdigen Herrn. Der las es, trat an meinen Vetter heran,

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