Enthuellungen eines Familienvaters
versuchten es, denn ein Faß Bier ist immerhin verlockend. Sie sprangen auf den Esel und lagen nach vier oder fünf Metern wieder auf der Erde. Alle lachten und sagten, es sei unmöglich, denn dies sei ein Wachesel und der beiße nachts wie ein Hund.
Diego Moor reiste nicht allein, sondern in Gesellschaft vieler Freunde. „Nun werdet ihr etwas zu sehen bekommen“, verkündete er ihnen.
Da schüttelten ihm alle Freunde, die ihn gut kannten, die Hand, verabschiedeten sich und gingen beiseite. Diego Moor aber bestieg den Esel, und dieser klebte ihn mit einem gewaltigen Schwung an die Mauer.
„Das wäre ja noch schöner!“ rief Diego Moor, als er sich wieder erhoben hatte. „Das fehlte ja noch, daß du Esel ein Muli wärest und ich, Diego Moor, ein Esel!“ Er stieg wieder auf und lag gleich wieder auf der Erde.
Er ließ so lange nicht locker, als er noch irgend etwas Unzerbeultes an sich hatte; dann ließ er sich zu Bett tragen und rief dem Esel zu: „Morgen sehen wir einander wieder, ich und du!“
Diego Moor war ein Mann von Wort. Am folgenden Morgen raufte er sich wieder mit dem Esel herum und hielt bis Mittag durch. Dann begann er am Nachmittag von neuem.
Der Wirt des Bierhauses sagte: „Ich habe ein gutes Zimmer und einen ausgezeichneten Koch; ich kann Sie in Pension nehmen. So haben Sie es bequemer.“
Diego Moor nahm Quartier in dem Bierhaus und verbrachte seine Tage damit, sich von dem verfluchten Esel auf den Boden schleudern zu lassen. Er war in der Stadt und in der Umgebung berühmt geworden, und die Leute sagten, er sei ein großer Herr, der Unglück in der Liebe gehabt und sich dem Esel ergeben habe, um zu vergessen.
Wochen und Monate vergingen, der Esel schleuderte Diego Moor immer noch auf die Erde, aber man merkte eine langsame und schrittweise Besserung: in der ersten Zeit wurde Diego Moor gleich abgeworfen, nachdem er aufgestiegen war, aber von Tag zu Tag gelang es ihm länger, sich oben zu halten, und am Ende des ersten Jahres fiel Diego Moor erst nach einem Lauf von zehn Metern hinunter.
Am Ende des zweiten Jahres erreichte Diego Moor zwanzig Meter; und mit einem Fortschritt von fünf Meter pro Halbjahr kam er im Dezember des fünften Jahres bis auf neunundvierzig Meter.
Der Esel konnte nicht mehr; er kämpfte nur noch, weil er eine häßliche schwarze Seele hatte, und Diego Moor verkündete im Saal des Bierhauses feierlich: „Zu Weihnachten habe ich mein Faß Bier!“ Im Weihnachtsmorgen standen die Leute auf dem Platz, und Diego Moor bestieg siegesgewiß den Esel. Der Esel kämpfte wie ein Löwe, aber Diego Moor schien an den Rippen des Viehs zu kleben. Zehn, zwanzig, dreißig, vierzig Meter — fünfundvierzig, siebenundvierzig, achtundvierzig — noch ein Meter bis zur Säule, die das Ende der Rennbahn bezeichnete. Der Esel steifte sich wie ein Verzweifelter, aber die Knie Diego Moors brachen ihm die Rippen und nahmen ihm den Atem, und er konnte nicht stehenbleiben. Neunundvierzig-zwanzig — neunundvierzig-vierzig — neunundvierzig-sechzig. Dem Esel stand der Schaum am Maul, seine Augen waren blutunterlaufen. „Neunundvierzig-achtzig!“ schrien die Leute. Der Esel brach zusammen, als würden ihm die Knochen auseinandergerissen, und Diego zerschmetterte sich den Kopf auf der gefrorenen Erde. Nun hatten sie alle beide nichts davon, Diego Moor und der siegreiche Esel.
„Armes Vieh“, sagten die Leute.
Am Morgen des 15. August 1518 wurde der Kaufmann Dulcini in der Gegend von Paglia Corta mit einem Büchsenschuß im Rücken aufgefunden. Des Mordes verdächtigt wurde der Kesselflicker Tomaso Mioli aus der Gegend San Bartolomeo del Reno.
Mioli sagte, er habe Dulcini nicht, einmal gekannt, und in der Nacht vom 14. auf den 15. August habe er in einem Stall des Dorfes Castelletto geschlafen, so daß er niemandem in der Stadt etwas hätte antun können, selbst wenn er gewollt hätte, zumal er nicht die Gabe der Allgegenwärtigkeit besitze wie unser Herr.
Es wurden verhört: ein Malvezzi und ein Mattei, die versicherten, sie hätten im Zwielicht des anbrechenden Tages den Mioli zu sehen vermeint, wie er in San Bartolomeo del Reno um die Ecke gebogen sei, und wenn er es nicht gewesen sei, dann einer, der ihm sehr ähnlich sehe.
Mioli wurde in die Folterkammer gebracht; nachdem man ihn ausgezogen hatte, wurden ihm die Hände auf den Rücken gebunden, und es wurde ihm mit der Folter gedroht. „Laß deine Halsstarrigkeit und bekenn die Wahrheit“, sagte der Richter zu
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