Enthuellungen eines Familienvaters
treffliche Person fühlt, wie ihr die verdammten Kugeln über den Nacken zischen, und bleibt ruhig liegen, um Schlimmeres zu vermeiden. So setzt denn der Panzerwagen im Nu schräg über sie hinweg, fährt das rechte Bein hinauf und an der linken Flanke herunter, wobei er, da er anfangs am Rock der Dame hängenbleibt, diesen schließlich so weit umschlägt, daß die ganze Familie eines der unseligsten Schauspiele der Welt bewundern kann. Natürlich macht diese Tatsache die süße Frau wütend; und so läuft sie Albertino nach, um an ihm Vergeltung zu üben.
Aber Frau Flaminia interveniert. Dann interveniert Frau Elisabetta, dann der Vater der erwähnten Frau, hierauf Lodovico und dann ich, der arme Giovannino. Darüber vergessen wir Albertino und seinen Panzerwagen und entsinnen uns ihrer erst wieder, als es zu spät ist... als wir nämlich von draußen verzweifelte Schreie hören und hierauf den Panzerwagen sehen, der wie verrückt im Hühnerstall herumfährt. Beschossen, niedergefahren, machen die Hühner vergeblich verzweifelte Flugversuche, um sich in Sicherheit zu bringen.
Gemeinsam mit Lodovico entfloh ich der familiären Hölle.
Im Zug blickte ich ihm in die Augen und fragte: „Warum hast du das getan?“
„Ich wußte nicht, daß ich euch im Landhaus treffen würde. Ich glaubte, daß ihr noch in Mailand seid. Ich hatte die Absicht, Albertino das Spielzeug durch einen Boten zu schicken.“
„Aber in Mailand wären wir ja auch dabei gewesen!“
„Ja, aber ich nicht“, antwortete der Unglückselige.
„Der Krieg hat dich grausam gemacht, Lodovico.“
„Nicht der Krieg, denn ich hasse den Krieg — nicht der Krieg, sondern Albertino. Erinnerst du dich an meinen letzten Urlaub im Juni?“
Da verstand ich ihn.
Neues vom trauten Heim
Ich bin überzeugt davon, daß der liebe Gott dem Adam, als er ihn aus dem Paradies vertrieb, nicht nur nachrief, er müsse das Brot im Schweiße seines Angesichtes verdienen; er hat ihm auch noch nachgerufen: „Und deine Frau soll krankhaft sparsam sein!“ Angewidert von den bissigen und ironischen Bemerkungen, zu denen alle Gassenjungen der Lombardischen Tiefebene durch meine graue, an wesentlichen Stellen mit kastanienbraunem Tuch geflickte Hose angeregt wurden, beschloß ich, das Kleidungsstück in die Lumpenkiste zu werfen. Doch da trat die Sparwut bei der trefflichen Störerin meines häuslichen Friedens in Erscheinung. „Wahnsinn!“ rief sie unwillig, „man färbt sie und bekommt eine Hose für Albertino.“
Ich will gar nicht davon sprechen, was die Prozedur des Färbens und die Umarbeitung des Kleidungsstückes gekostet hat. Das war das wenigste.
Die eigentliche Tragödie begann, als Albertino das Ergebnis der Prozedur mit Mißfallen betrachtete. Er sagte nichts, weil er damals noch nicht sprechen konnte, aber es war ihm anzumerken, daß dieses schmutzigblaue Etwas seinen ästhetischen Sinn beleidigte. Die Kinder im zartesten Alter haben sehr schlechte Gewohnheiten. In gewissen Augenblicken kommen sie zu dir, schauen dich mit flehenden Blicken an und zeigen mit einem ihrer winzigen Finger auf den Fußboden. Die sehr schlechte Gewohnheit besteht nicht darin, daß sie mit flehenden Blicken schauen und mit dem Finger zeigen; sie ist anderer Art, und ihre Auswirkungen sind nicht nur auf dem Fußboden nachzuweisen. Die einzige Maßregel, die man in diesem Fall ergreifen kann, ist die, den ganzen unteren Teil der Bekleidung durch andere, trockene Bekleidungsgegenstände zu ersetzen. Und als Albertino zum erstenmal die blaue Hose anhatte, mit flehenden Augen schaute und auf den Boden zeigte, oblag diese Maßregel mir. Sie bestand aus einer Serie köstlicher Überraschungen: nachdem die blaue Hose ausgezogen war, erschien eine blaue Unterhose, und nachdem diese entfernt war, ein blaues Hemd. Als auch das blaue Hemd abgenommen war, erschien wieder etwas Blaues. Ich konnte Albertino nicht gut ein Stückchen Haut abtrennen, um zu sehen, ob die Farbe auch noch die Haut durchdrungen hatte; ich beschloß abzuwarten.
Die treffliche Sparmeisterin meines trauten Heimes bemerkte optimistisch, daß die Hose nach dem ersten Waschen nicht mehr abfärben würde.
Wie ich schon mehrmals zu beobachten Gelegenheit hatte, erreichen Albertinos sehr schlechte Gewohnheiten ganz besonders dann ihren Höhepunkt, wenn der kleine Lump auf meinen Knien sitzt. Hunderte Male habe ich meine Hose durch eine andere, trockene, ersetzt, aber als ich dies zum erstenmal nach den obenerwähnten
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