Enthuellungen eines Familienvaters
sollen.
„Sehr schlimm!“ schloß Tante Giuseppina. „Ich wette, du läufst noch immer ohne Hut herum!“
Ich errötete und senkte den Kopf.
Tante Giuseppina tat einen langen Seufzer. Dann nahm sie die Gefährtin meiner Freizeit in Augenschein. Nachdem sie sie lange durch das Lorgnon studiert hatte, wobei sie ihr dann und wann durch einen Wink bedeutete, sie möge aufstehen, sich umdrehen, beziehungsweise herumgehen, schüttelte Tante Giuseppina den Kopf und sagte: „Ach ja!“
Um dem Gespräch eine erfreulichere Wendung zu geben, teilte ich Tante Giuseppina mit, daß wir Kinder hätten.
„Kinder? Ihr? Unmöglich!“ rief sie aus.
Nachdem Tante Giuseppina noch erwähnt hatte, daß die Wohnung zu hoch liege, daß ihr das Radio zuwider sei und daß der Likör ihr nicht schmecke, erhob sie sich entschlossen.
Ich gab ihr das Geleit. Im Vorzimmer blickte sie mich an und schüttelte lange den Kopf; dann zog sie aus der Handtasche eine Photographie, die eine magere, schwarzgekleidete Dame darstellte. „Ich habe nämlich die Richtige für dich gefunden!“ seufzte sie. „Eine erstklassige junge Dame, Tochter eines Universitätsprofessors, da hättest du leicht deinen Doktor machen können und hättest jetzt schon ein hübsches Kind. — Ach ja“, schloß sie, steckte das Photo wieder ein und begann, die Stiegen hinabzugehen. „Auf jeden Fall: überleg dir’s.“
„Ich werde mir’s überlegen“, antwortete ich.
Mein Bruder läßt sich seit Jahren nicht mehr blicken. Und wenn ich mich frage, was ihn wohl von unserem Heim fernhält, kommt mir sein letzter Besuch in den Sinn.
Die Geschichte hat sich folgendermaßen abgespielt: Um zehn Uhr morgens erschien plötzlich ein dicker junger Mann in Korporalsuniform vor der Gartentür des Landhauses, das uns als Zufluchtsstätte diente, und war mein Bruder. Kaum hatte er mich wahrgenommen, als der dicke junge Mann lächelte, aber da ertönte ein Schrei, und das Lächeln verwandelte sich in eine schmerzliche Grimasse.
„Ihhh! Onke Sodat!“ heulte ein Haufen Gerümpel in unmittelbarer Nähe der Gartentür.
Hier muß eines unglückseligen Urlaubes im vergangenen Juni gedacht werden, den der obenerwähnte Korporal unter der mailändischen Schreckensherrschaft Albertinos verbracht hatte.
Jedenfalls gedachte der erwähnte Korporal dieses Urlaubs im Juni und war daher besorgt, als er in dem Haufen Gerümpel sein Ex-fahrx-ad erkannte und in der Stimme des Haufens diejenige seines teuflischen Neffen. „Ihr wohnt nicht mehr in Mailand?“ sagte der Korporal mit müder Miene.
„Das Haus ist halb zerstört“, erklärte ich ihm.
„Ich verstehe...“, seufzte der Korporal, schüttelte traurig den Kopf und blickte vorwurfsvoll auf Albertino.
„Nein, Flugzeuge.“
„ Um so besser, dann werdet ihr ja einiges gerettet haben. Bleibt ihr lange da?“
„Wer kann das wissen? Und du?“
„Einen Monat. Aber ist das Haus in Mailand wirklich unbewohnbar? Du weißt, ich bin anspruchslos.“
„Nichts zu machen, Lodovico.“
„Dann muß ich hierbleiben! Schade, daß ich’s nicht gewußt habe, ich hätte ein Zelt zum Kampieren mitgebr...“
Er verstummte, denn Albertino kam über uns, den Kopf zwischen den Speichen des unglückseligen onkelschen Exfahrrades, und begann mit einer festlichen Begrüßung, nach welcher der Korporal an seinen wichtigsten Teilen reichlich verschmiert und lustig mit unzähligen, fünfblätterigen schwarzen Ornamenten verziert war, die der Neffe mit seinen kleinen Händen auf das helle Grau der Uniform gestempelt hatte. Der Lärm rief die ganze restliche Familie in den Hof, und der Korporal verschwand unter der allgemeinen Umarmung. Als der Auflauf sich zerstreut hatte, bemerkte man bei einer ersten summarischen Übersicht die Anwesenheit von Ölspuren auf den Gesichtern aller Familienmitglieder und die Abwesenheit jeglicher Spur von Albertino. Bei einer zweiten, aufmerksameren Nachforschung bemerkte man auch das Verschwinden der Reisetasche des Korporals; und das erklärte alles.
„Wer weiß, was er glaubt, daß du ihm gebracht hast, Lodovico!“ rief lächelnd die Großmutter des Sohnes ihres unglückseligen Sohnes. „Ha, ha!“ stammelte der Korporal mit dem Versuch eines Lächelns. Doch ich sah ihn erbleichen und machte mir Sorgen.
„Ist vielleicht irgend was Gefährliches drin?“
„Nein, im Gegenteil: die Tasche enthält sogar wirklich ein Spielzeug für ihn“, beruhigte mich Lodovico. Er lächelte nur kurz, aber sein kurzes
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