Enthuellungen eines Familienvaters
flaschen füllen fest verkorken.“
Die Menge des in seinen Behausungen verbliebenen Eingekochten war nicht mehr groß; immerhin gelang es mir, noch drei Flaschen anzufüllen und zu verkorken.
Ich verbrachte einen relativ ruhigen Tag, aber als ich nach Hause kam, entdeckte ich in meinem Arbeitszimmer etwas Neues: auf dem Plafond war in der Nähe des alten Flecks ein kleiner zweiter. Das wäre an sich nicht so besonders interessant gewesen, hätte man nicht nahe bei dem kleineren Fleck eine Flasche ohne Boden gesehen, die bis zum Hals in den weichen Rohrplafond hineingetrieben war. Wundern wir uns, wenn ein Mensch sich unter gleichen Umständen anders verhält als ein anderer Mensch? Nein. Warum sollten wir uns also wundern, wenn von zwei Flaschen mit Eingekochtem die eine sich anders verhält als die andere?
Wo der Kork weniger fest eingesetzt war, war er, gefolgt vom Eingekochten, hinausgeflogen. Wo aber der Kork zu fest hineingetrieben war, war die Flasche davongeflogen; und während ihr oberer Teil sich einen neuen Aufenthaltsort gesucht hatte, war der untere Teil zusammen mit dem ihm zugehörigen Eingekochten auf dem Fußboden verblieben. Ich schickte ein drittes Eiltelegramm, in dem ich beklommen fragte, was ich mit der übriggebliebenen Flasche anfangen sollte.
Das dritte Antworttelegramm: „fülle eingekochtes stärkere flasche stop verkorke fest stop verbinde mit eisendraht stop stelle flasche in speiseschrank.“
Ich füllte das Eingekochte in eine bewährte Sektflasche, zwängte den Kork hinein und stellte die Flasche in den Schrank. Gott sei Dank, nun war alles beendet. Ich verbrachte den ruhigsten Tag. Abends fand ich die Flasche unversehrt auf ihrem Platz. Keine Nacht war je von süßeren Träumen bevölkert.
Der folgende Tag war ein Sonntag, und dieser folgende war der gestrige Tag. Ich blieb beruhigt zu Hause und blätterte vergnügt in meinen Büchern und Notizheften.
Gegen vier Uhr nachmittags erschütterte eine entsetzliche Explosion den Frieden und die Wände meines vierten Stockwerks.
Während eine kleine Volksmenge sich auf der Straße zusammenzurotten begann, lief ich in die Küche und fand genau das vor, was ich erwartet hatte: die Tür des Speiseschranks war aus den Angeln gehoben, Teller, Gläser und Flaschen, einst der Stolz meines gedeckten Tisches, waren in Scherben überall verstreut.
Die Flasche mit dem Eingekochten war explodiert wie eine Bombe, überallhin Tod und Verderben tragend.
Nachdem ich die Bevölkerung, die ich von Dynamitattentaten munkeln hörte, beruhigt hatte, stand ich schweigend da und betrachtete die verspritzten Überreste des Tomatenmarks. Dann schickte ich das letzte Telegramm ab.
Und heute bekam ich das letzte Antworttelegramm: „mach dir keine sorgen stop habe acht dosen ausgezeichneten tomatenmarks aufgetrieben stop alle gesund.“
Ich legte die Unglücksbotschaft zu den Überresten der Küche; dann ging ich spazieren.
Margherita ist sanft und fügsam, aber in gewissen Dingen kennt sie keine Konzessionen. Margherita ist zum Beispiel überzeugt davon, daß man mit den Kindern kurzen Prozeß machen muß; und niemand auf der Welt könnte sie davon abbringen.
Wenn Carlotta statt der Suppe Pfefferminzbonbons und Gorgonzola mit Kakao haben möchte, wenn sie verlangt, mit meinem Fahrrad zu Bett zu gehen oder sich auf irgendeine andere derartige Teufelei versteift, werden die sanften Züge Margheritas unversehens hart, die Halsadern schwellen an, in die Augen kommt ein seltsam metallischer Glanz, wie eine Katze stürzt sie auf Carlotta zu und stößt, wenige Zentimeter vor dem Kind stehenbleibend, einen unmenschlichen Schrei aus, der mich jedesmal aus dem Sessel auffahren und mir die Finger auf den Tasten der Schreibmaschine erstarren läßt: „Ja!“ Das ist laut Margherita der „kurze Prozeß“, den man mit den Kindern machen muß: auf alle Forderungen mit »Ja“ antworten, aber so laut, daß die Wände der Wohnung zittern. „Margherita“, fragte ich sie eines Tages, „fändest du es nicht besser, statt jedesmal ,ja’ zu schreien, wenn sie dich um die ausgefallensten Dinge bitten, mit leiser Stimme ,nein’ zu sagen?“
„Als wir einander kennenlernten“, seufzte Margherita, „war ich dieser Ansicht. Und als du mich fragtest, ob du mich begleiten dürftest, antwortete ich dir mit leiser Stimme ,nein’ . Dann ließ ich mich begleiten. ,Nein’ mit leiser Stmme und ,ja’ mit lauter Stimme ‘st das gleiche. Und bei Kindern ist es besser, mit
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