Enthuellungen eines Familienvaters
Diskussionen zwischen Frauen immer wenig erfreulich sind.
Nun muß ich erwähnen, daß Carlotta schon mehr als einmal erklärt hatte, sie könne nicht mehr länger „neben dieser Frau“ leben, und die Absicht kundgetan hatte, zu den Großeltern zu gehen; es ist daher nicht erstaunlich, daß auch diese Diskussion zwischen Carlotta und Margherita ausartete, daß bald große Worte fielen und daß Carlotta schließlich erklärte: „Wenn du meine Tochter wärst, würde ich dich mit dem da durchhauen!“
„Das da“, worauf Carlotta mit dem Finger zeigte, war die Kurbelwelle eines argentinischen Dampfers mit einem Gewicht von mindestens fünfzehn Tonnen. Anschließend an diesen Wortwechsel nahmen wir die Besichtigung wieder auf; und als wir in die Abteilung für Frauenkleidung kamen, zeigte sich Margherita so interessiert, daß Carlotta mich am Ärmel zupfte und mir mit einer Miene des Mißfallens zuflüsterte: „Schau sie an; vor diesen Weiberdummheiten vergißt sie alles! Bau sie hier an und laufen wir davon, du und ich allein!“
Ich konnte diesen Vorschlag nicht annehmen. Ich konnte meine Verantwortung als Familienvater nicht vernachlässigen. Daher überredete ich Carlotta, sich diesen Fluchtplan aus dem Kopf zu schlagen. Meine Tochter schaute mich sarkastisch an. „Du bist ein Dummkopf wie sie“, sagte sie.
Um eine unerfreuliche Diskussion zu vermeiden, interessierte auch ich mich für die schönen ausgestellten Dinge, und als wir uns allmählich dem Ausgang genähert hatten, kam uns etwas Schreckliches zum Bewußtsein: Carlotta war verschwunden! Nachdem wir gestritten hatten, ob es meine oder Margheritas Schuld sei, beschlossen wir, die Verantwortung zu gleichen Teilen auf uns zu nehmen, und begannen, wie büßende Seelen herumzuwandern. Margherita sprach schluchzend von Leichen, die von Treibriemen zerstückelt werden, und als wir in die Allee kamen, wo man den unvermeidlichen Springbrunnen sieht, der einen anilingefärbten Strahl in die Höhe schleudert, stürzte Margherita an den Rand des Bassins und schrie: „Bestimmt ist sie da drinnen ertrunken!“
Zum Glück ertönte in diesem Moment die Stimme des Lautsprechers: „Achtung, Achtung! Die Großeltern des Mädchens Carlotta mögen sich in die Wachstube begeben, wohin das Kind gebracht worden ist... Achtung: die Großeltern des Mädchens Carlotta...“
Margherita stieß einen Freudenschrei aus. Aber einen Augenblick später blickte sie mich erschrocken an.
„Sie rufen die Großeltern!“
„Aber es ist Carlotta. Das ist die Hauptsache.“
Wir suchten ein Taxi; dann aber wurde uns klar, daß nur zwei Verrückte sich darauf versteifen konnten, innerhalb der Messe ein Taxi zu finden, und wir liefen zu Fuß in die Wachstube. Carlotta saß in einer Ecke und betrachtete mit sichtlichem Mißfallen die fünf oder sechs „verirrten“ Kinder, die weinten wie abgeschnittene Weinstöcke.
„Schau, dein Papa und deine Mammi sind da!“ sagte einer der Wachleute fröhlich, indem er Carlotta auf den Arm nahm, um sie uns zu übergeben.
„Nein“, antwortete Carlotta böse, „ich will den Großvater und die Großmutter! Ich habe gesagt, daß ich den Großvater und die Großmutter will.“
Der Wachmann war perplex.
„Ja, wirklich, das Kind hat gesagt, daß es mit den Großeltern war“, sagte er zu einem anderen Wachmann. „Die hier sind zu jung für Großeltern.“
„Aber wir sind Papa und Mama!“ rief Margherita.
„Nein!“ schrie Carlotta. „Es ist nicht wahr! Ich will die Großeltern!“ Nun’ spielte sich eine beängstigende Szene ab’ wir wiesen Dokumente vor, die uns nichts nützten, da ja Carlotta kein Dokument hatte und keinen Stempel an sich trug, aus dem die Zugehörigkeit zu unserem Verwaltungsbereich hervorgegangen wäre. Die Wachleute begannen, uns scheel anzublicken, und irgendeiner sprach davon, man müsse eine Anzeige erstatten. Es war ein sehr heikler Augenblick. Da hatte ich einen Genieblitz und wandte mich an den Kommandanten der Wachleute.
„Versuchen Sie“, sagte ich leise, „versuchen Sie, das Kind zu fragen, wie die Großeltern heißen.“
Der Kommandant fragte Carlotta, wie ihre Großeltern hießen. Auch der geschickteste Verbrecher hat eine gewisse kindliche Naivität; Carlotta nannte Vor- und Zunamen ihrer Großeltern, die als meine Eltern auf meiner Identitätskarte verzeichnet waren.
„Gehen wir!“ sagte ich triumphierend. Und da machte sich Carlotta auf den Weg; sie hatte begriffen, daß sie nun verloren
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