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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gesicht.
    »Aber genial!« Peltzner wirbelte zu Dr. Hartung herum. »Glauben Sie nun, daß selbst Tunis Gisela ausliefern wird?«
    Dr. Hartung schwieg. Er wußte, daß er etwas sagen würde, wenn er den Mund öffnete, was alle geheimen Pläne zunichte machte. Ekel stieg in ihm hoch. Ich muß Monique so schnell wie möglich hier herausnehmen, dachte er nur, so schnell wie möglich …
    Peltzner klatschte vergnügt in die Hände. »Sprachlos seid ihr, ihr alle, was? Anstatt wie ihr zu wimmern, werde ich handeln! Und dann präsentiere ich euch meine Rechnung!«
    Er rannte mit seinen kurzen, dicken Beinen die Treppe hinauf zu den Schlafzimmern. Heinrich Fellgrub, Anna, Monique und Dr. Hartung starrten ihm stumm nach. Sie hörten eine Tür schlagen, polternde Schritte … dann eine Sekunde völlige Stille.
    Heinrich Fellgrub schwankte im Sitzen. Jeder wußte, worauf der andere wartete. Und jeder vermied es, den anderen anzusehen.
    Dann zerriß der Schuß die lähmende Stille. Holz splitterte im gleichen Augenblick.
    »So macht man jemand zur Mörderin!« sagte Dr. Hartung laut. Auf der Empore erschien Ewald Peltzner, den Revolver noch in der Hand.
    »Nein!« schrie er in die Halle hinunter. »So rettet man Millionen!«
    Dann war wieder die lähmende Stille um sie herum, so, als habe wirklich ein Mord stattgefunden. Ein fast kindliches Weinen unterbrach die Stille. Es kam von Monique, sie lief auf Dr. Hartung zu und klammerte sich an ihn.
    Von der Empore herab ließ Ewald Peltzner den Revolver fallen. Er fiel vor die Füße Heinrich Fellgrubs. Heinrich hob ihn auf und steckte ihn wortlos in seine Jackentasche …
    Die ausgebrochene Gisela Peltzner hatte einen Mordversuch unternommen!
    Paul Burkhs in Kairuan erfuhr die Neuigkeit als erster von der deutschen Kolonie in Tunis. Als Klatschgeschichte. Aber er verstand sofort, was das bedeutete. In der Nacht noch fuhr er hinaus in die Wüste und zur Oase Thala.
    Die Wachen des kleinen Wüstenforts alarmierten erst einmal den Kommandeur und dann Dr. Ben Mullah, ehe sie Paul Burkhs einließen und in die Wachstube führten.
    »Wir handeln gegen die Vorschriften!« sagte Dr. Ben Mullah, als Paul Burkhs die neue Lage geschildert hatte. »Schließlich sind wir als Soldaten die Beschützer des Staates und keine Leibgarde für ein flüchtiges Liebespaar, dem man solche Geschichten nachsagt. Aber …«, er strich sich über sein braunes Gesicht und sah den Kommandeur mit zur Seite geneigtem Kopf an, »… es ist ein Glück, daß ich Demoiselle Giselle persönlich kennenlernte und weiß, daß alles nicht stimmt, was man gegen sie vorbringt. Ich habe eine große Abneigung gegen Ungerechtigkeiten, mein ganzes Volk hat sie. Es mußte lange genug in Unfreiheit leben! Man sollte helfen …«
    Beim Morgengrauen fuhren zwei Jeeps der 3. Jägerkompanie hinaus in die Wüste. Auf dem Hintersitz des einen Fahrzeuges lag Dr. Budde in seiner Gipswanne, mit dicken Lederriemen festgeschnallt, damit keine Erschütterung ihn von dem schmalen Sitz warf. Neben ihm hockte Dr. Ben Mullah. Im zweiten Jeep kauerten Gisela und Paul Burkhs, eingehüllt in dicke Schafwolldecken. Noch war es kalt, aber ebenso heiß würde es werden, wenn die Sonne über die Sandhügel emporgestiegen war.
    Sie fuhren den ganzen Tag durch eine vor Hitze flimmernde Luft, durch einen Backofen, den nicht der geringste Windhauch kühlte. Der Sand der Wüste war weiß, der Himmel war weiß, Horizont und Atmosphäre gingen ineinander über, ohne daß man es sah.
    Gegen Abend erreichten sie die winzige Oase Bir Zarrat, mitten in der Sandwüste liegend, in der Nähe von Bir Aoiana, dem letzten Brunnen vor der urweltlichen Einöde, dem unbewohnten, leblosen, im Sand erstickten Grand Erg Oriental. Es war der letzte grüne, lebende Fleck vor der völligen Einsamkeit, der äußerste Punkt der Menschheit. Dahinter kam das Nichts.
    In Bir Zarrat trug man Dr. Budde in das Haus des Dorfältesten. Es war ein Lehmhaus, eng, dunkel und stank nach Abfällen. Auf dem Boden lagen einige selbstgeflochtene Matten aus Palmfasern, zwischen vier großen Steinen blakte ein offenes Feuer. Das war die ganze Einrichtung.
    Vorsichtig legten die Soldaten die Gipswanne mit Dr. Budde in eine Ecke des Raumes auf die Erde. Dr. Ben Mullah hob die Schultern. Der Fatalismus des Orientalen ließ ihn die Lage anders sehen als Gisela, die entsetzt an der rauhen Lehmwand lehnte und deren Stimme in der Kehle vertrocknete.
    »Das ist ein Luxusappartement«, sagte Dr. Ben Mullah.

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