Entmündigt
gefunden hatte. Der Sturm schien die Jacht völlig zerschlagen zu haben. Einige Trümmer, die gegen die Klippen gespült worden waren, konnten Freunde Moniques einwandfrei identifizieren.
Drei Beamte erschienen daraufhin im Hotel und stellten Moniques Hinterlassenschaft sicher. Sie legten eine Liste der Dinge an, die ihr gehörten.
»Sieh an!« sagte der leitende Inspektor und setzte sich auf das Bett Moniques. »Ein Tagebuch!« Er blätterte darin herum und las einige Stellen. Vier Jahre lang war er als französischer Kriegsgefangener in Deutschland gewesen und hatte die Sprache gelernt. Es machte ihm keine Mühe, die zierliche, fast kindliche Schrift zu entziffern und den Sinn der Eintragungen zu verstehen. Erst vor wenigen Tagen hatte er einen umfassenden Bericht über den ›Fall Gisela Peltzner‹ gelesen. So winkte er ab, als einer seiner Leute etwas fragen wollte, und vertiefte sich in die Schilderungen, die von Giselas Einlieferung in die Anstalt handelten.
»Allerhand!« sagte der Inspektor, als er durch war. »Das ist ja eine Sensation erster Ordnung, meine Herren!«
Er steckte das Tagebuch ein, versiegelte das Hotelzimmer, fuhr zur Präfektur und erstattete Bericht.
Gegen Morgen wurde er aus dem Bett gerufen. Ewald Peltzner war eingetroffen und tobte im Hotel herum, weil man ihn nicht ins Zimmer seiner Tochter lassen konnte. Dann war er hinunter zu den Klippen gefahren und hatte auf das Meer hinausgeblickt, das glatt war, nur ein wenig gekräuselt, wie Muster auf einer Glasplatte.
Im Hotel erwartete ihn der Polizeiinspektor. Kritisch musterte er den Mann, der es möglich gemacht haben sollte, kraft seines Geldes ein gesundes Mädchen unter Irren einsperren zu lassen. Er war enttäuscht. Was da vor ihm stand, war eine Karikatur von Mann, fahlbleich, die Augen gerötet, verquollen, Tränensäcke darunter, der Mund schief hängend.
Willenlos folgte er dem Inspektor in das entsiegelte Zimmer Moniques. Dort sank er auf das Bett, schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte laut.
Der Inspektor schwieg und überließ Peltzner seinem Schmerz. Dann, nach endlos langen Minuten, unterbrach er das Weinen durch eine scharfe Frage:
»Wußten Sie, daß Ihre Tochter ein Tagebuch führte?«
Der Kopf Peltzners zuckte hoch. In seine verquollenen Augen traten ein Lauern und ein harter Glanz. Aha, dachte der Inspektor. So sieht er wirklich aus. Wie schnell ein Mensch von diesem Schlage sich verwandeln kann.
»Ein Tagebuch?« fragte Peltzner rauh zurück. »Quatsch.«
»Wir haben eins gefunden und beschlagnahmt.«
»Wo ist es? Es ist Eigentum meiner Tochter …«
»Es befindet sich auf dem Dienstwege …«
»Wohin …«
»Wo es hingehört …«, sagte der kleine Franzose vieldeutig.
Peltzner sprang auf. »Was soll das, Herr Inspektor? Sie beschlagnahmen persönliche Dinge, obwohl überhaupt noch nicht feststeht, daß Monique …« Er schluckte wieder und brachte die letzten Worte nicht mehr heraus. »Es könnte sich doch herausstellen, daß sie vielleicht in einem anderen Hafen …«
»Etwas anderes wird sich jedenfalls bestimmt herausstellen!« sagte der Inspektor betont. »Nämlich, daß eine Fahndung nach einer gesunden Gisela Peltzner in Gang kommt. Und daß diese gesunde Gisela Peltzner als freier Mensch in die Heimat zurückkehren wird, um sich dort ihr Recht zu verschaffen, das man ihr so lange auf die gemeinste, niederträchtigste Weise streitig gemacht hat …«
»Welch einen Blödsinn reden Sie da! Sie sollten sich um den Verbleib meiner Tochter kümmern und nicht in ihren Sachen herumschnüffeln.«
»Das Tagebuch Ihrer vermißten Tochter gibt ein genaues Bild der Vorgänge, die sich in der Familie Peltzner abgespielt haben.« Der Inspektor sah Peltzner offen an. »Sie werden die Handschrift Ihrer Tochter bezeugen können, wenn die deutsche Staatsanwaltschaft Ihnen das Beweismittel vorlegt …«
Ewald Peltzner ließ sich zurück auf das Bett sinken. Sein Bein schmerzte höllisch. An einem dicken Stock war er herumgehumpelt, durch das Hotel, am Meer, hinauf ins Zimmer … jetzt ging ein Zittern durch seinen Körper, die Kräfte verließen ihn. Mit beiden Händen legte er das verletzte Bein aufs Bett und sah den Inspektor dabei verbissen an.
»Es wird eine Fälschung sein«, sagte er hart. »Es ist in letzter Zeit so viel gegen mich angezettelt worden … Dr. Hartung ist zu allem fähig. Es muß eine Fälschung sein.« Peltzner biß die Zähne aufeinander. »Was haben Sie getan, um meine
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