Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
alles eingehen, was gewünscht wird …
    »Ja. Ich möchte den Herrn Professor sprechen.«
    »Er ist um neun Uhr im Haus. Ich werde es sofort bestellen, wenn er kommt.« Die Schwester ging zum Bett, schlug die Decke zurück, schloß mit einem Spezialschlüssel den ›Mückendraht‹ vor dem Fenster auf und klappte ihn nach außen an die Hauswand. Ungehindert floß die Morgensonne in das Zimmer. »Darf ich Ihnen Ihr Frühstück bringen?« fragte die Schwester.
    »Ich möchte nichts essen …«
    Fast lautlos entfernte sich die Schwester. Nach kurzer Zeit kam sie mit einem reich beladenen Teewagen zurück. Sie deckte den kleinen Tisch am Fenster und goß eine Tasse Kaffee ein.
    Gisela wartete, bis die Schwester das Zimmer wieder verlassen hatte. Semmeln, Brot, Butter, Gelee, ein gekochtes Ei, Wurst, Schinken, Obst – Gisela hatte Hunger, einen unbändigen Hunger sogar. Seit drei Tagen hatte sie nur Flüssigkeiten zu sich genommen. Als Ewald Peltzner sie einsperrte und die Ärzte sie untersuchten, hatte sie aus Protest nichts mehr gegessen. ›Nahrungsverweigerung‹ stand dann auch in der Diagnose.
    Gisela nahm das Besteck in die Hand. Es bestand aus Weichplastik … die Messerklinge war biegsam wie Hartgummi. Die Butter konnte man damit schmieren, aber nichts schneiden. Auch die Zinken der Gabel waren aus Plastik. Es war unmöglich, sich damit zu verletzen oder gar das Leben zu nehmen.
    Als brenne das Besteck in ihren Fingern, so schnell warf sie es auf den Tisch zurück. Mit zitternder Hand trank sie die Tasse Kaffee – die Tasse war aus Hartplastik – und aß eine trockene Scheibe Brot. Alles andere rührte sie nicht an.
    Kurz nach neun Uhr erschien Professor v. Maggfeldt in Begleitung seines Oberarztes Dr. Pade. Lächelnd ging er auf Gisela zu, überflog mit einem schnellen Blick den Frühstückstisch und schüttelte den Kopf, als er ihr die Hand gab.
    »Nur eine Scheibe Brot? Das ist zuwenig. Sie werden noch ganz von Kräften kommen.«
    Gisela wandte sich ab. Sie drehte den Ärzten den Rücken zu. Die Routine-Freundlichkeiten, diese glatten Mienen – Irre mochten darauf hereinfallen, nicht sie. Und es beleidigte sie, daß man ihr mit diesen gleichen Mitteln kam, um ihr Vertrauen zu gewinnen.
    »Ich möchte meinen Anwalt sprechen. Den Syndikus meiner Werke. Und ich möchte, daß man sofort Herrn Dr. Budde verständigt.«
    »Ich werde das sofort veranlassen. Wer ist übrigens, wenn ich fragen darf, Dr. Budde?«
    »Mein Verlobter …«
    »Ach … Sie sind verlobt?« Der Professor setzte sich auf den Stuhl vor den Frühstückstisch. »Davon haben Sie uns gestern gar nichts erzählt.«
    »Auch mein Onkel nicht?«
    »Nein.«
    »Meine Verlobung war der letzte und wichtigste Grund, mich zu Ihnen abzuschieben. Mein Onkel ist sehr umsichtig und vorausschauend, er erkannte die heraufziehende Gefahr sofort. Ich sollte nämlich – das war Onkel Ewalds Plan, damit das Geld in der Familie bleibt – meinen Vetter Heinrich heiraten …«
    »Den Vetter Heinrich. Das ist ja sehr interessant.« Professor v. Maggfeldt nickte Oberarzt Dr. Pade zu. »Das müssen Sie mir alles genau erzählen, gnädiges Fräulein! Gehen wir hinüber zu mir. Während Herr Dr. Pade einige kleine Untersuchungen vornimmt, können wir uns weiter unterhalten …«
    Um die gleiche Zeit saß auch die Familie Peltzner um den Frühstückstisch auf der Terrasse der Bruno Peltznerschen Villa. Ewald hatte sie ein halbes Jahr nach dem Tode seines Bruders für ganz bezogen. Notgedrungen, wie er sagte, als sich die ersten Anzeichen der Geisteskrankheit Giselas bemerkbar machten. »Das arme Kind muß einen Schutz haben!« erzählte er überall. »Ich bin es meinem Bruder schuldig …«
    »Was machen wir mit diesem Dr. Budde?« fragte Anna Fellgrub und ließ Honig auf ihr braunes Brötchen laufen. »Er war gestern wieder in der Fabrik. Langsam glaubt er nicht mehr, daß Gisela plötzlich verreisen mußte.«
    »Ich werde ihn hinauswerfen, wenn er noch mal kommt.« Ewald schüttete einen Schuß Cognac in seinen Kaffee. Er tat dies seit Jahren. »Es belebt den Kreislauf!« behauptete er.
    »Ob das klug ist?« warf Heinrich Fellgrub ein.
    »Klug oder nicht … was kann uns noch passieren? In ein paar Wochen haben wir Gisela entmündigt, sie bleibt in der Anstalt … glaubt ihr, daß so eine Handvoll Nichts wie dieser Dr. Budde die Mauern einer Irrenanstalt einrennen kann? Nein, nein, meine Lieben … da habe ich mich erkundigt … Wer erst einmal drin ist in der

Weitere Kostenlose Bücher