Entmündigt
hatte, eine ungeheure Last aufbürdete, von der sie nicht wußte, wie sie sie je tragen würde. Onkel Ewald und Tante Anna haßten sie, unversöhnlich, sie hatte es in diesen Minuten gespürt … nicht nur die Werke hatte sie geerbt, auch den Haß auf ihren Vater … und auf sie selbst …
»Ihr Barvermögen beträgt 2,7 Millionen. Der Gesamtkomplex an Liegenschaften, Gebäuden, Maschinen ist nur schätzbar. Der Wert beträgt ungefähr 120 Millionen …«
Gisela nickte. Zahlen, dachte sie. Lauter Zahlen, die sich vor ihren Augen schneller und immer beängstigender zu drehen begannen.
»Zur Einarbeitung hat Ihnen Ihr verstorbener Vater zwei bekannte Wirtschaftsprüfer zur Seite gegeben«, sagte der Richter. »Sie stehen ab sofort für Sie zur Verfügung.« Er merkte, wie hilflos Gisela ihm gegenübersaß. »Haben Sie keine Angst vor dieser großen Aufgabe … Sie werden in sie hineinwachsen. Ich habe da gar keine Angst … Sie sind doch die Tochter Ihres Vaters. Beweisen Sie, daß er sich nicht in Ihnen getäuscht hat. Sie werden sehen, Sie schaffen es spielend …«
Gisela konnte nur stumm nicken.
Unten, auf der Straße, wartete Ewald Peltzner auf Gisela.
Er war mit seinem Wagen in eine Seitenstraße abgebogen und hatte gewartet, bis die Verwandten mit Heinrichs Auto davongefahren waren. Dann war er zurückgekommen.
Nach dem Abklingen seiner ersten, überschäumenden Wut war er rasch zu der Einsicht gekommen, daß er sich sehr unklug benommen hatte. Gisela war die Alleinerbin. Sie hatte zwar keinen Überblick über die weitverzweigten finanziellen Transaktionen, und was die besten Wirtschaftsprüfer nicht gemerkt hatten – die geschickten Falschbuchungen, mit denen Ewald Peltzner ein Vermögen herausgezogen hatte – würde auch sie nicht entdecken … Auf alle Fälle war es jedoch besser, mit Gisela auf freundschaftlichem Fuß zu stehen, ihr Vertrauen zu besitzen.
Der Plan der AG war zerronnen. Aber ein neuer Plan gewann in Ewald goldene Gestalt. Wenn Heinrich Fellgrub seine Cousine Gisela heiratete, floß alles Vermögen in einen großen Topf, aus dem die Familie sich sattlöffeln konnte …
»Ich habe mich schrecklich aufgeführt, Gisela«, sagte Ewald Peltzner, als er auf seine Nichte zutrat und sie unterfaßte. »Ich bitte dich um Verzeihung. Aber dein Vater … Schwamm drüber. Er war eben so! Zehn Prozent sind eine Stange Geld. Ich freue mich für dich, daß nun alles in deiner Hand ist. Zu jeder Zeit kannst du mit meiner Hilfe und meinem Rat rechnen …«
»Danke, Onkel Ewald …« Sie schien über seine Reue nicht im geringsten gerührt. Ewald Peltzner sah Gisela erstaunt an.
»Wohin darf ich dich bringen?«
»Nach Hause, bitte. Und morgen sehen wir uns im Werk. Ich werde die beiden Wirtschaftsprüfer bestellen; sie sollen zuerst einmal alle Bücher, alle Konten gründlich besehen.«
Das kann heiter werden, dachte Ewald Peltzner. Er riß die Tür seines Wagens auf und ließ Gisela einsteigen. Er hatte mit einem größeren Spielraum gerechnet, er sah, daß er unverzüglich handeln mußte …
Der Familienrat war diesmal kurz, aber um so ereignisvoller. Man fand sich noch am späten Abend des Tages der Testamentseröffnung zusammen. Ewald Peltzner hatte darauf bestanden. Sie trafen sich in der Bibliothek, in der vor vier Tagen noch Bruno Peltzner aufgebahrt lag, in einem Meer von Blumen und umgeben vom Rauschen ehrenvoller Nachrufe.
Ewald und seine Schwester Anna waren in die Villa ihres toten Bruders übersiedelt, um, wie sie erklärten, Gisela für eine angemessene Zeit in ihrem Leid und ihrer Einsamkeit zur Seite zu stehen.
Gisela hatte sich längst zurückgezogen.
»Um es kurz zu machen«, sagte Ewald Peltzner mit gedämpfter Stimme. »Es gibt nur einen Ausweg aus dem Dilemma; Heinrich heiratet Gisela.«
»Du bist verrückt, Onkel!« sagte Heinrich Fellgrub, halb amüsiert.
»Ein genialer Plan!« Anna Fellgrub schüttelte den Kopf, als sie den bösen Blick ihres Sohnes sah. »Daß man die Kinder immer zu ihrem Glück zwingen muß! Natürlich – Heinrich heiratet Gisela. Ihr paßt wunderbar zueinander. Ich habe das immer schon heimlich gedacht … Mein Gott, wie schön wäre es, Heinrich!«
Heinrich begriff offenbar erst jetzt, daß der Vorschlag seines Onkels ernst gemeint war. »Ich glaube wirklich, ihr seid nicht bei Trost. Ich und Gisela heiraten? Jetzt sagt nur noch, daß ihr euch bereits mit ihr einig seid. Auslachen wird sie euch, auslachen, wie ihr es verdient.« Heinrich
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