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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Fellgrub hatte sich in eine ehrliche Empörung hineingesteigert. Er sprang auf. »Wie denkt ihr euch das eigentlich?«
    »Ganz einfach. Wir schicken euch auf Reisen. Es entwickelt sich alles von selbst. Erst Einzelzimmer, dann ausverkauftes Hotel, nur noch Doppelzimmer frei …«
    »Pfui Teufel!« schrie Heinrich mit hochrotem Kopf.
    »Offenbar bist du also doch ein Anfänger …« Ewald Peltzner wiegte resignierend den Kopf. Die Jugend bestand anscheinend tatsächlich aus Stümpern. Kinder, Kinder …
    »Ich habe oft mit meiner Cousine in einem Zimmer geschlafen …«
    Ewald Peltzner konnte über diese naive Äußerung nur gequält lachen.
    Es war selbst Anna Fellgrub zuviel. »Geschlafen? Aber nicht so, mein Junge«, sagte sie mit mütterlicher Wärme. »Wenn man dann vorher ein bißchen getrunken hat …«
    »Marsala«, warf Ewald ein. »Der macht die Frauen reif wie saftige Trauben …«
    »Und vergiß nicht, sie zu streicheln«, sagte Monique erfahren. »Ein Mädchen, das auf sich hält, verlangt Marsala und Zärtlichkeit …«
    Heinrich Fellgrub blieb an der Tür, die von der Bibliothek zur Diele führte, stehen.
    »Ich schäme mich, mit euch verwandt zu sein!« rief er. »Seit Onkel Brunos Tod habt ihr anscheinend den Verstand verloren … Gisela und ich! Im Sandkasten haben wir zusammen gespielt …«
    »Jetzt spielt ihr eben woanders zusammen! Jedes Alter hat seine Spielchen …«
    »Gewiß, Onkel Ewald, wie du meinst. Wenigstens Giselas Ohrfeigen wirst du hoffentlich bereit sein, direkt zu kassieren!«
    »Ich denke nicht daran!« Ewald Peltzner hieb mit der Faust auf den Tisch. »Und wenn du sie vergewaltigen mußt … es gibt keinen anderen Ausweg, Brunos Erbschaft unter uns gerecht zu verteilen! Und es eilt, Junge! Meinst du denn, ich wäre sonst heute noch darauf zu sprechen gekommen? Und unter diesen Umständen will ich, ehe wir auseinandergehen, wenigstens wissen, ob du bereit bist, deinen vergleichsweise angenehmsten Teil zum Gelingen unseres Planes beizutragen …«
    Heinrich Fellgrub wandte sich seiner Mutter zu. Anna Fellgrub starrte ihn mit großen flehenden Augen an. Es geht um Millionen, mein Junge, schrie dieser flackernde Blick.
    Heinrich nickte. »Ich will's versuchen«, sagte er dumpf. »Macht mich nicht verantwortlich, wenn es ein Fiasko wird.«
    Zwischen den Bücherregalen der oberen Galerie bewegte sich ein Schatten und huschte davon. Das leise Zuklappen einer Tür hörten sie unten in der Bibliothek nicht. Ewald Peltzner entkorkte gerade eine Flasche.
    Ein guter Plan ist wie ein Schiff. Es muß getauft werden.
    Der zweite Tag der Untersuchung in der ›Park-Klinik Prof. Dr. Hubertus v. Maggfeldt‹ verlief weniger ruhig.
    Gisela war früh aufgestanden. In ihrem breiten Kleiderschrank hatte sie alles gefunden, was sie für einen längeren Aufenthalt brauchte. Sie hatte gar nicht wahrgenommen, daß mit dem vorderen Wagen gestern eine Reihe von Koffern mitgekommen war und daß zwei Schwestern die Schränke eingeräumt hatten, während sie schlief. Einem Glas Orangensaft war ein Schlafmittel beigemischt gewesen, das sie tief und traumlos schlafen ließ. Fast erfrischt war sie am Morgen aufgewacht.
    Sie zog die Gardinen zur Seite und sah hinaus in den Park. Eine Rasenmähmaschine summte leise. Ein Gärtner in grüner Schürze ging hinter ihr her. Sein Gesicht lag im Schatten eines großen, geflochtenen Strohhutes. Vor zwei Jahren war er noch der Architekt Franz Dorpke gewesen. Ein erfolgreicher Architekt, der Theater gebaut hatte und große Wohnsiedlungen.
    Für Gisela war er ein Gärtner, der in dieses friedliche Bild des Parkes paßte. In diesen sonnenhellen Morgen mit Lerchenschlag und Blütenduft. Weit weg, eingebettet in Baumgruppen und umgeben von Büschen, sah Gisela die flachen Dächer der Pavillons. Dort wohnten Irre, dachte sie schaudernd.
    Die Angst, die sie gestern schon gespürt hatte, das Grauen bei dem Gedanken, hier leben zu müssen, überfielen sie wieder. Die Schönheit des Parkes war weggewischt.
    Hastig trat sie vom Fenster zurück und lief zur Tür. Das klinkenlose Schloß schien ins Riesenhafte zu wachsen. Panik erfaßte sie. Mit der Hand drückte sie auf den Klingelknopf, der die Schwester alarmierte.
    »Aufmachen!« rief sie dabei. »Aufmachen! Ich bin keine Irre. Warum sperrt man mich denn ein!«
    »Sie haben geläutet, gnädiges Fräulein?« Auf der Station hatte man genaue Anweisungen bekommen: Nur diese Anrede, das Gefühl weitgehender Unabhängigkeit schaffen, auf

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