Entmündigt
im Sessel mit gefalteten Händen. Das Bild einer mittelalterlichen Büßerin. Heinrich Fellgrub lief rauchend herum, Monique winkte Dr. Vrobel vergnügt und dümmlich lächelnd wie immer zu. Ewald Peltzner stürzte zur Treppe.
»Na?« fragte er leise. »Alles klar?«
Vrobel nickte. Sprechen konnte er nicht. Er kam sich elend vor. Brechreiz würgte tief unten in der Kehle. Den Scheck in Peltzners Hand übersah er. Er schob Ewald Peltzner einfach zur Seite und verließ das Haus.
Kopfschüttelnd goß sich Ewald Peltzner ein neues Glas Cognac ein.
»Der Mann hat ja Charakter!« sagte er verblüfft.
Anna Fellgrub streckte die Hand aus.
»Gib mir auch einen!« sagte sie stockend. »Es ist mir wirklich auf den Magen geschlagen …«
Noch siebenmal erschien Dr. Vrobel. Bei den letzten Besuchen brachte er Dr. Oldenberg mit. Gisela fühlte sich immer schlechter. Tapfer verbarg sie es vor Dr. Budde. Er sollte nicht wissen, daß die dumme Sache mit dem Autounfall so lange Nachwirkungen hatte.
Dieses Schweigen war ein Fehler, den sie erst einsah, als Ewald Peltzner ihr in Gegenwart der beiden Ärzte und Dr. Adenkovens mitteilte, daß sie auf Grund ihrer Erkrankung nicht mehr geschäftsfähig sei und alle Unterschriften nur von ihm getätigt werden könnten.
Aber da war es zu spät. Sie erkannte es, und die Verzweiflung schlug über ihr zusammen.
»Ihr Verbrecher!« schrie sie und stieß Dr. Oldenberg zurück, als er sie beruhigend anfassen wollte. »Ihr Schufte! Jetzt weiß ich, was hier gespielt wird! Zu einer Verrückten wollt ihr mich machen! Aber da habt ihr euch getäuscht … Um mich verrückt zu machen, bin ich zu normal! Jetzt sollt ihr sehen, was …«
Mit den Fäusten hieb sie auf Dr. Vrobel ein, der sich ihr nähern wollte. Dann stürzte sie sich auf Dr. Adenkoven, drängte ihn zur Seite und riß die Tür auf.
»Festhalten!« schrie Ewald Peltzner grell. »Festhalten!«
Er rannte ihr nach, bekam sie an der Schulter zu fassen, aber sie schlug und trat nach ihm, und sie riß sich wieder los. In Peltzners Hand blieb nur ein Stück Stoff. »Festhalten!« schrie er wieder.
Gisela rannte über den oberen Flur und stürzte fast die Treppe hinunter. Unten, auf der dritten Stufe, stand ein Wall dunkler Leiber. Heinrich Fellgrub, Monique und sogar Anna Fellgrub versperrten ihr den Weg.
»Laßt mich durch!« schrie Gisela. »Ihr Diebe! Vaters Geld wollt ihr haben … weiter nichts! Aus dem Weg, oder ich trete auf euch …«
Oben kamen Vrobel und Oldenberg gerannt. Ewald Peltzner humpelte hinterher. »Festhalten!« wimmerte er. »Heinrich … halt sie fest … Sie ist verrückt …«
Mit einem Sprung warf sich Gisela in die Menschenmauer. Im Fallen umklammerte sie Heinrich. Er versuchte, sie niederzudrücken, aber sie biß ihm in die Hand. Dann trat sie wieder um sich, schlug, stieß mit dem Kopf gegen die Leiber, die sich über sie warfen.
Zuletzt sah sie Anna Fellgrub. Ihr spitzes, bleiches Gesicht und die großen, runden starren Augen.
»Armes Kind …«, sagte ihr breiter Mund. »Armes Kind …« Dann legte Anna Fellgrub ihre Hand fest auf den Mund Giselas. Sie preßte die Lippen zusammen, als Gisela sie wie ein wildes Tier in die Handfläche biß. Heinrich setzte sich auf Giselas ausgestreckten Arm, Dr. Oldenberg und Dr. Adenkoven hielten die Beine fest.
»Die Spritze …«, stöhnte Ewald Peltzner. Er lehnte mit verzerrtem Gesicht am Treppengeländer.
Dr. Vrobel beugte sich zitternd über den Arm Giselas. Auf der dritten Treppenstufe gab er ihr die Injektion, während vier Männer das zuckende, schreiende Mädchen festhielten.
Largactil, intravenös …
Nach einigen Zuckungen ließ der Widerstand nach. Schweigend erhoben sich die Männer. Gisela lag auf der Treppenstufe, den Kopf nach unten. Ihre langen blonden Haare reichten fast bis zur letzten Stufe. Sie schlief, nur ihr Gesicht zuckte noch wie in schwerem Fieber.
Am nächsten Tag brachte man Gisela Peltzner, die Millionenerbin, in die Anstalt zu Professor v. Maggfeldt. Ein fast willenloses Mädchen, das widerstandslos in das Haus ohne Türklinken schritt.
Dr. Budde saß mit hängendem Kopf auf der gläsernen Seeterrasse. Der Kellner hatte die whiskynasse Tischdecke abgenommen und Budde dabei kritisch angesehen. Er kannte Professor v. Maggfeldt, und er begriff nicht ganz, warum sich der Arzt mit einem offensichtlich Betrunkenen abgab. Er meldete sich auch nicht, als die beiden das Lokal verließen, ohne zu bezahlen. Der Professor würde das beim
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