Entmündigt
seinem Büro die Familie versammelt. Eine neue Panik war über die Peltzners und Fellgrubs hinweggezogen, die achte oder zehnte, sie hatten das Zählen aufgegeben. Und jede Panik zerstörte wieder ein Stück von der Hoffnung auf das Vermögen Giselas.
Diesmal hatte es mit einer Aussprache zwischen Ewald Peltzner und seiner Nichte Gisela begonnen.
Nach der Testamentseröffnung hatte sich Gisela in das verlassene Generaldirektorzimmer ihres Vaters gesetzt und die Peltzner-Werke zu regieren begonnen, selbstbewußt und sicher, als habe sie nie etwas anderes getan. Sie empfing die ausländischen Kunden, sie entschied über Kredite an afrikanische Länder, sie verhandelte mit einem internationalen Exportgremium, und sie fand trotzdem noch Zeit, die Privatentnahmen der Familie Peltzner-Fellgrub zu kontrollieren. Dabei stieß sie auf einen Posten, der vor einer Woche eingetragen worden war: Ankauf eines neuen Patents von Dr. Fortmann. Ein Automat, der die Produktion um 15 Prozent rationalisierte.
Beantragt und abgezeichnet waren 250.000 DM von Direktor Ewald Peltzner.
Gisela rief bei der Hauptbuchhaltung an. Die Anweisung an Dr. Fortmann war zwar ausgeschrieben, aber noch nicht an die Bank weitergegangen.
»Sofort stoppen!« sagte Gisela kurz.
Zwei Stunden später polterte Ewald Peltzner in ihr Zimmer. Er hatte einen hochroten Kopf und knallte eine dicke Mappe auf den breiten Schreibtisch Giselas.
»Was soll das, Gisela?« schrie er. »Ich habe das Glück, eine Erfindung von größter Bedeutung für ein Butterbrot aufzukaufen, und du sperrst die Überweisung! Wenn du schon den Platz deines Vaters einnehmen willst, dann mußt du auch seinen Weitblick haben!«
»Im Augenblick interessiere ich mich für das, was in meiner Nähe passiert. Und in deiner …« Sie sah auf die hingeworfene Mappe. Akte Dr. Fortmann, stand darauf. »Was ist das?« fragte Gisela und tippte mit dem Zeigefinger auf den Namen Fortmann.
»Die Erfindungsakte!«
»Wirklich gut erfunden!«
Ewald Peltzner verzog das Gesicht, als bekäme er Magenkrämpfe. Seine Wangen, eben noch rot vor Erregung, wurden blaß. Aber er schwieg.
»Ich habe eben die Bank angerufen«, sprach Gisela ruhig weiter. »Dr. Fortmann ist völlig unbekannt. Sein Konto besteht seit vierzehn Tagen und hat als Einlage fünfzig Mark. Dabei wohnt der Herr Doktor in St. Tropez. Villa Princesse. Sag mal, wohnt da nicht seit drei Wochen Cousine Monique …?«
»Na und?« Peltzner ließ sich in einen der großen Ledersessel fallen.
»Hältst du mich wirklich für so ahnungslos?« Gisela schob die Akte Dr. Fortmann weg, als rieche sie übel. »Oder soll ich auch noch nachprüfen, ob es überhaupt einen Dr. Fortmann gibt. Die Anweisung habe ich annulliert.«
»Du schädigst die Firma!« rief Peltzner. Haßerfüllt sah er zu seiner Nichte hinüber. Er war sehr in Druck. Durch Beauftragte, die mit Schuldscheinen zahlten, hatte er auf verschiedenen europäischen Rennplätzen Pferdewetten abgeschlossen und verloren. Am Ersten des Monats wurden die Scheine vorgelegt, und dann mußte Ewald Peltzner bezahlen.
»Der Automat würde allein unsere Ausgaben für Arbeitslöhne um mehr als zehn Prozent senken. Dazu kommen …«
Eine energische Handbewegung Giselas unterbrach Peltzner. Verblüfft sah er seine Nichte an. Sie nahm den Telefonhörer ab.
»Ich glaube«, sagte sie dabei und blickte ihrem Onkel unverwandt in die Augen, »wir sparen mehr ein, wenn ich diese angebliche Erfindung nicht kaufe. Ich weiß nicht, wofür du das Geld brauchst. Ich weiß auch nicht, wie mein Vater in dieser Situation gehandelt hätte. Aber ich habe auch etwas Eigeninitiative aufzubieten. Hör einmal her …« Sie drehte die Nummer der Hauptbuchhaltung und sagte dann langsam und ganz betont laut: »Hier Peltzner. Schreiben Sie bitte einen Verrechnungsscheck über 250.000 Mark aus und bringen Sie ihn mir zur Unterschrift herauf. Empfänger: Waisenhaus. Zweck: Stiftung der Peltzner-Werke …«
Ewald Peltzner schoß aus seinem Ledersessel heraus und stürzte auf den Schreibtisch zu. Er schlug mit der Faust auf die Telefongabel. Seine Augen flatterten.
»Bist du verrückt?« schrie er Gisela an.
»Nein!« Gisela legte den Hörer auf. »Aber lieber gebe ich das Geld elternlosen Kindern, als es für dein Vergnügen hinauszuwerfen! Das ist meine Erfindung …«
»Das wirst du noch bereuen«, sagte Ewald Peltzner leise.
Dann drehte er sich um und ging steif aus dem Zimmer …
Am Nachmittag tagte die Familie im
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