Entmündigt
sagen, was ich denke: Sie versuchen alles, um Ihre Braut herauszuholen. Aber das verfängt bei mir nicht, Herr Budde … ich bilde mir mein Urteil selber. Und ich habe dazu die Erfahrung und die Wissenschaft. Beide kennen nur Tatsachen … keine Romane, die Sie mir vielleicht erzählen wollen …«
Mit einem hilflosen Achselzucken folgte Dr. Budde dem Professor.
»Nun heißt es schnell handeln!« sagte Ewald Peltzner, brannte sich eine Brasil an und rannte in seinem neuen Arbeitszimmer auf und ab. Dann blieb er vor Dr. Adenkoven stehen. »Noch in dieser Woche muß alles geschehen sein!« sagte er und hielt dem Anwalt eine dünne Mappe hin. »Nehmen Sie das mit zu Professor v. Maggfeldt.«
Der Rechtsanwalt sah fragend auf den Schnellhefter. »Was ist das?« fragte er.
»Ein neuer Beweis der Geschäftsunfähigkeit meiner Nichte. Von ihr unterschriebene Schecks, die ich zurückziehen konnte.« Peltzner schlug den Schnellhefter auf und blätterte einige Scheckformulare um. »Hören Sie sich nur das an: 10.000 Mark für zwei Modellkleider, 17.000 Mark für einen Barockengel, 23.000 Mark für eine Madonna aus dem 14. Jahrhundert, eine Stiftung für eine Trinkerheilanstalt 70.000 Mark …«
Dr. Adenkoven nahm die Mappe aus den Händen Peltzners. Mit verschlossenem Gesicht blätterte er in den Schecks, die nie eingelöst worden waren.
»Wie kommen Sie an diese … na sagen wir es ruhig: Fälschungen?« fragte er hart.
Ewald Peltzner kaute auf seiner Zigarre herum. »Sie sollen nicht fragen, sondern die Schecks zum Professor v. Maggfeldt in die ›Park-Klinik‹ tragen und ihm erneut beweisen, daß Gisela nicht mehr geschäftsfähig ist! Das ist alles.«
»Fräulein Peltzner wird beweisen können, daß sie diese Schecks nie selber ausgestellt hat!«
»Lächerlich. Man wird doch einer Irren nicht das Beweismaterial vorlegen …«
Professor v. Maggfeldt blätterte die Schecks durch, die Adenkoven ihm vorgelegt hat. Sein Gesicht war verschlossen. Vier Stunden hatte Dr. Budde versucht, ihm die Hintergründe des Dramas zu erklären, das sich um Gisela Peltzner abspielte. Am Ende war Maggfeldt geneigt gewesen, das ganze Problem von einer anderen Seite aus zu durchdenken. Nun kam dies hier: der Beweis krankhafter Verschwendungssucht.
Wieder senkte sich Dunkelheit über Gisela Peltzners Schicksal. Der Beweis für die Unzurechnungsfähigkeit ihres Charakters lag vor dem Arzt, der über ihre Zukunft zu bestimmen hatte, mit ihrer eigenen Unterschrift unter wahnsinnigen Zahlen, die sie sinnlos ausgeschrieben hatte.
»Ich danke Ihnen, Herr Adenkoven«, sagte Maggfeldt. Er zwang sich, seine Erschütterung zu verbergen. Sie galt weniger dem großen blonden Mädchen, das fünfzehn Meter weiter im Augenblick damit beschäftigt war, Frau Paulis und ihren Hund Ludwig mit Kaffee und Kuchen zu bewirten, als Dr. Budde, der so fest an das Gesunde glaubte, wie es nur ein Liebender vermag.
»Die Peltzner-Werke sind in eine Krise geraten. Es müssen klare Verhältnisse geschaffen werden, um den Betrieb voll arbeitsfähig zu halten. Wir müssen – so tragisch es ist und so sehr Herr Peltzner darunter persönlich leidet – darauf drängen, daß die Entmündigung Fräulein Peltzners bald erklärt wird. Es hängt nur noch von Ihrem Gutachten ab, Herr Professor. Das Amtsgericht ist nach Prüfung der vorliegenden Fakten bereit, nach § 6 BGB die Entmündigung auszusprechen, sobald Ihr Obergutachten vorliegt.« Dr. Adenkoven griff wieder in seine Tasche und holte einen vorgeschriebenen Bogen heraus. Er legte ihn vor Professor v. Maggfeldt hin.
»Ich habe den Erstantrag schon vorgeschrieben …«
Der Professor sah mit gewölbter Unterlippe auf das Papier. Er kannte diese Worte, er hatte sie in seinen vielen Jahren psychiatrischer Praxis einige hundertmal unterschrieben. Aber nie war es ihm so schwergefallen wie heute.
Zur Vorlage bei Gericht wird bescheinigt, daß Fräulein Gisela Maria Monika Peltzner aus Auenstadt, geboren am 14. Juni 1936, geistesgestört ist, ihre Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag und daher die Voraussetzung zur Entmündigung gegeben erscheint. Ein eingehendes Fachgutachten nach § 655 ZPO geht in Kürze dem Vormundschaftsgericht zu.
Maggfeldt nahm den Federhalter, um den kurzen Antrag zu unterschreiben. Doch kurz bevor er zur Unterschrift ansetzte, zögerte er und legte den Füllhalter wieder in die Federschale zurück.
Adenkoven zog verwundert die Augenbrauen hoch. »Ein Formfehler?« fragte er. »Der Antrag
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