Entmündigt
ist genau nach den Vorschriften …«
»Ich will Fräulein Peltzner noch einmal untersuchen, ehe ich mich festlege«, sagte Maggfeldt gepreßt.
»Sie ist schon zwei Wochen bei Ihnen.«
Der Kopf des Professors fuhr hoch. »Wollen Sie mir vorrechnen, wie lange ich für eine Untersuchung brauchen darf, Herr Adenkoven?«
Das war deutlich. Dr. Adenkoven verabschiedete sich hastig und verließ die Anstalt.
Am Nachmittag des zweiten Tages seines Aufenthaltes in der Park-Klinik gelang es Dr. Budde, sich selbständig zu machen.
Es war einfacher, als er es sich gedacht hatte. Maggfeldt hatte ihn nicht in eine der Zellen sperren lassen, in denen die kriminellen Patienten untergebracht wurden. Noch immer glaubte er, daß Budde den Unfall nur inszeniert hatte, um in die Nähe Giselas zu kommen. Die Räubergeschichte vom gestohlenen Auto und dem durch einen Fremden bewußt herbeigeführten Unfall hatte er fast vergessen – so dumm und schlecht erfunden kam sie ihm vor. »Wenn wir in Chikago lebten …«, hatte Maggfeldt zum Abschluß seiner ersten Unterhaltung mit Budde lächelnd gesagt. Sonst nichts.
Im Pavillon zwölf, weit weg von dem weißen Schloß, bekam Dr. Klaus Budde ein Zimmer. Er teilte es mit zwei chronischen Alkoholikern, armen, verkommenen Süchtigen, die halb verblödet durch den Tag taperten, immer auf der Suche nach Alkohol.
Mit einem Schraubenzieher, den Klaus Budde einem der Gartenarbeiter abgeschwätzt hatte, öffnete er den Sperrhaken der grifflosen Fenster. Die beiden Trinker starrten ihn ungläubig an.
»Ich gehe Sprit besorgen!« sagte Budde und blinzelte ihnen zu. »Ich weiß, wo's hier welchen gibt. Und wenn einer kommt, dann sagt, ich bin mal eben austreten gegangen …«
»In Ordnung.« Die beiden Säufer nickten. Sie halfen Budde aus dem Fenster und drückten von innen den Fensterflügel wieder zu.
Budde rannte durch die Büsche. Er schlug einen weiten Bogen und näherte sich dem Hauptgebäude von hinten. Unterwegs kam er über eine Wiese, wo an langen Leinen Bettwäsche und weiße Kittel trockneten. Er nahm einen weißen Arztkittel von der Leine, zog ihn über, obwohl er noch feucht war, und ging dann ruhig weiter. Ein paar Gärtner grüßten ihn und sahen ihm nach. Ein Neuer, dachten sie. Noch nie gesehen. Vielleicht aus der Unruhigen-Abteilung …
Unangefochten erreichte Dr. Budde den Seitenflügel des Haupthauses. Eine hohe, dichte Weißdornhecke verwehrte ihm noch den Blick auf den Rosengarten, sonst hätte er schon in diesem Augenblick entdecken müssen, daß Gisela Peltzner, Frau Paulis und der Hund Ludwig genau auf ihn zukamen …
Sie spazierten durch den Rosengarten der ›Park-Klinik‹, Gisela Peltzner und Frau Paulis. Vor ihnen trottete der Bernhardiner Ludwig, und auch er schien die Ruhe des Nachmittags zu genießen.
Es war eine trügerische Ruhe …
Keine zwanzig Meter von den beiden Frauen entfernt und nur durch eine Hecke von ihnen getrennt, setzte Dr. Klaus Budde vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Wann, fragte er sich, wird jemand meine lächerliche Maskerade durchschauen? Gewiß, die Kranken werden mich für einen neuen Arzt halten. Aber wenn mir Dr. Pade begegnet? Oder Dr. Ebert? Oder gar Professor v. Maggfeldt? Unausdenkbar, eine Katastrophe …
Dabei stand ihm eine weit schlimmere Katastrophe unmittelbar bevor. Er sah die beiden Frauen jenseits der Hecke nicht, und die Frauen hatten ihn noch nicht entdeckt.
Plötzlich hörte Klaus Budde einen Hund knurren.
Und gleich darauf eine ihm fremde Frauenstimme: »Aber Ludwig, das ist der Onkel Doktor …«
Drüben beugte sich Frau Paulis nach vorn und beruhigte den Bernhardiner mit der Hand. Aber der Hund starrte unbeweglich nach der Hecke. Nur mit dem Knurren hörte er auf.
Klaus Budde war einen Augenblick wie versteinert stehengeblieben. Er hatte in der Richtung des knurrenden Hundes Gisela entdeckt. Sein erster Gedanke war, die Arme hochzureißen, zu winken, ihr zuzurufen. Doch dann besann er sich und schlich, einen Durchschlupf suchend, an der Buschreihe entlang.
Als er keine Lücke fand, begann er zu laufen. Er hetzte um die Hecke herum.
Die beiden Frauen sahen ihm wortlos entgegen, mehr verwundert als erschreckt. Ein Arzt, der durch den Garten rannte?
Auf einmal erkannte Gisela, wer da auf sie zustürzte.
»Klaus!« Es war ein greller, die friedliche Stille des Nachmittags hart durchschneidender Schrei. Sie streckte die Arme vor, taumelte ein paar Schritte mit weit aufgerissenen Augen, so, als könne sie
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