Entmündigt
…«, sagte sie stockend. »Der Hund läßt mich doch nicht heran …«
»Dann rufen Sie den Chef!« Dr. Pade tupfte mit dem Taschentuch etwas Blut von seinem Handrücken, wo Frau Paulis ihm die Haut weggekratzt hatte. »Nicht genug, daß wir die Irren hier haben … jetzt fängt er mit Hunden auch noch an …«
Dr. Ebert hatte sich darum beworben, Gisela betreuen zu dürfen. Er saß neben ihrem Bett und hatte sie von der Schwester entkleiden lassen. Peinlich genau kontrollierte er Kreislauf und Herztätigkeit. Er injizierte Caramin, um das Herz anzuregen, und legte dann wieder das Ohr auf ihre Brust.
»Was macht der Chef?« fragte er dabei die Schwester.
»Er ist im OP und versorgt Dr. Budde.«
»Und Dr. Pade?«
»Bei Frau Paulis.«
Ebert nickte. »Es ist gut«, sagte er mit gepreßter Stimme. »Sie können gehen, Schwester. Ich bleibe hier.«
Die Schwester ging, und Dr. Ebert sah ihr nach zur Tür, und seine rechte Hand lag noch immer an Giselas Gelenk, aber er spürte ihren Puls nicht mehr. Er sah nur noch, daß die Schwester das Zimmer verließ und die Tür hinter sich zuzog.
In diesem Augenblick wünschte Ebert, die Tür sei nicht innen, sondern außen ohne Klinke. Er stand langsam vom Bettrand auf, steckte mit zitternden Händen den Schlüssel ins Loch und drehte ihn vorsichtig um. Dann ging er zurück zum Bett. Er sah Gisela liegen, nie vorher war sie ihm schöner und begehrenswerter erschienen, und mit der exakten Beobachtungsgabe des geschulten Nervenarztes registrierte er jede Phase seines eigenen Zusammenbruchs. Er beugte sich über Gisela, er berührte sie, er legte sein Gesicht an ihren Hals, und er spürte, daß sie willenlos war. So verharrte er Minuten, gegen sich kämpfend und ständig wissend, daß er diesen Kampf längst verloren hatte.
Als er sie an sich riß und sie mit Küssen bedeckte, wachte sie plötzlich auf.
Gisela Peltzner stieß einen leisen, noch kraftlosen Schrei aus. Sie wälzte sich zur Seite, stieß mit den Beinen nach Ebert, schlug matt mit den Armen nach ihm.
Erst jetzt kehrte ihr Bewußtsein ganz zurück. Ihre Augen weiteten sich, sie starrten den Arzt an, sie glaubten noch nicht, aber sie sahen unmißverständlich, was dieser Mann wollte. Noch einmal trat Gisela um sich, diesmal bewußt, mit aller Wucht, und sie traf Dr. Ebert voll an der Brust. Er taumelte zurück, seine Füße verfingen sich in dem Teppich vor dem Bett, und dann stürzte er zu Boden.
Im gleichen Augenblick zerrte Gisela das Laken los, preßte ein Ende an sich und rollte sich einmal herum, so daß sie völlig bedeckt war.
»Was … was wollen Sie …«, stammelte sie. Es war eine dumme Frage, aber es war das einzige, was sie im Augenblick sagen und denken konnte.
Ebert erhob sich vom Boden. Seine letzten Gedanken waren ausgeschaltet. Er warf sich über die Patientin und drückte sie in die Kissen zurück.
Mit beiden Fäusten schlug Gisela auf ihn ein. Auf die Schultern, auf den Kopf, gegen den Rücken. Keuchend rang Dr. Ebert mit ihren schlagenden Armen … er bog sie brutal nach oben und versuchte, Giselas Mund zu küssen. Wild biß sie ihn in die Oberlippe.
»Sie … Sie sind wahnsinnig«, stammelte sie dabei. »Lassen Sie mich los … ich schreie, seien Sie doch vernünftig. Ich schreie, daß das ganze Haus zusammenläuft …«
»Hier schreit jeder …« Es war das erste Wort, das Dr. Ebert sagte. Er wischte sich mit dem Handrücken das Blut von der Oberlippe und hielt mit der anderen Hand Giselas Arme noch immer fest umklammert. Ebert wußte, daß er seinen Beruf verraten hatte, aber es war ihm gleichgültig. Mit einem leisen Aufschrei stieß er den Kopf vor und versuchte abermals, sich ihrer ganz zu bemächtigen.
»Hilfe!« schrie Gisela grell. »Hilfe!«
Ebert hob den Kopf ein wenig und lächelte untergründig. »Warum wehrst du dich?« flüsterte er und legte den Kopf neben Giselas Ohr. »Es glaubt dir keiner, wenn du es dem Chef sagst. Keiner glaubt es! Sie halten dich doch für eine Verrückte. Alles wird man dir als Wahn auslegen … als Verfolgungswahn, als sexuelle Halluzination … Warum wehrst du dich denn …«
»Nein!« schrie sie grell. »Nein! Sie sind verrückt! Sie ruinieren sich! Lassen Sie mich los …«
Mit einer letzten Kraftanstrengung riß sie sich los, trat wieder nach ihm, warf ihn erneut vom Bett auf den Zimmerboden und sprang auf. Sie raffte das Laken vor ihren Körper und griff nach einer Blumenvase, die auf der Fensterbank stand. Dr. Ebert hockte mit
Weitere Kostenlose Bücher