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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bakterien. Überall sah sie Bakterien, im Staub, am Fenster, in der Blumenerde, im Bettuch, im Haar der anderen Frauen, am Eßbesteck, am Mantel der Stationsschwester, unter ihren Fingernägeln, die sie mit jedem Instrument, das sie fand, zu entfernen versuchte. Sie sah Bakterien an den Wänden, an den Flügeln der Schmetterlinge, in Blütenkelchen. Überall entdeckte sie Krankheitserreger und war ständig auf der Flucht vor einer Ansteckung. Im KZ Ravensbrück hatte man sie mit Cholerabazillen geimpft, sie war gerettet worden, aber der Schock saß in ihrer Seele und zerstörte sie von Jahr zu Jahr mehr. Sie war, als Gisela zu ihr ins Zimmer kam, nur noch ein knöchernes Wrack, das sich sofort auf die Neue stürzte und sie anschrie: »Geh! Geh! Du bist verseucht! Ich sehe an dir die Bakterien wimmeln! Geh!«
    Mit diesen beiden Frauen hatte Gisela nun zu leben. Sie setzte sich auf ihr Bett, sah, wie die Polin sich in die Ecke verkroch, aus Angst, von ihr angesteckt zu werden, und sie hörte dem schönen, schwarzlockigen Mädchen Monika Durrmar zu, das begann, ihr einen Vortrag über die Schönheit des ewigen Lebens zu halten.
    Klaus, dachte sie, wo bist du jetzt? Wirst du mich hier herausholen? Aber es muß bald, sehr bald sein … sonst hat meine Familie erreicht, was sie wollte, und ich bin wirklich wahnsinnig …
    Langsam sank Gisela Peltzner auf dem Bett zurück. Sie weinte.
    »Sie hat die Wassersucht!« schrie die Polin aus der Ecke.
    »Sie hat Gott gehört!« predigte Monika Durrmar.
    So kam der Abend. Der erste von vielen …
    Es dauerte doch noch fast zwei Wochen, bis die Beweise für Dr. Buddes Unschuld so zwingend waren, daß er freigelassen wurde.
    Rechtsanwalt Dr. Hartung holte seinen Freund aus dem Gefängnis, den unförmigen Schädelverband hatte man Budde abgenommen. Nur ein breites Heftpflaster klebte noch schräg auf seiner linken Stirnhälfte.
    »Die Welt hat sich verändert!« sagte Dr. Hartung, als sie im Wagen saßen und langsam zu Buddes Wohnung fuhren. »Vetter Heinrich Fellgrub ist in London, Anna Fellgrub hat eine klotzige Villa am Stadtpark gekauft, Ewald Peltzner hat eine neue Mätresse, und Gisela ist in Pavillon I gekommen. Sie ist in die Gemeinschaft der Irren aufgenommen worden. Nur Cousinchen Monique amüsiert sich nach wie vor in St. Tropez.«
    Noch ehe Hartung aussprechen konnte, hatte Budde ihm ins Steuerrad gegriffen. Mit voller Kraft trat Hartung die Bremse durch. Sie schlidderten über die Straße, haarscharf an zwei Radfahrern vorbei.
    »Sofort in die Park-Klinik, zu Maggfeldt!« rief Budde.
    »Verrückter Hund!« Hartung fuhr an den Bordstein und hielt.
    »Nun hör einmal zu, mein Lieber: Solange ich am Steuer sitze, fahre ich auch. Und was Fräulein Peltzner betrifft, nehme ich das Steuer, glaube ich, auch in die Hand. Wir werden vorerst überhaupt nichts tun. Auch nicht bei Maggfeldt. Ich sage es dir zum letzten Mal! Gisela geht es gut …«
    »Gut! Unter Irren!«
    »Mann – hör doch endlich damit auf! Bei Professor Maggfeldt ist sie wenigstens vor ihrer Familie sicher! Sie lebt – und sie überlebt! Du hast es doch gesehen, wie man dich durch einen hübsch arrangierten Unfall für Wochen kaltgestellt hat. Es wäre durchaus möglich, Gisela durch ein Unglück ganz aus der Welt zu schaffen. Denk an den Jagdunfall ihres Vaters. Für diese Leute geht es ums Geld. Um die Millionen! Und deshalb sage ich: Im Pavillon I ist Gisela noch am sichersten! Kannst du das nicht einsehen?«
    »Halb nur.« Klaus Budde steckte sich eine Zigarette an. Seine Hand zitterte. »Wir müssen doch irgend etwas tun, Gerd …«
    »Wir werden auch etwas tun! Ich fahre nach St. Tropez und du nach London! Ich werde mich um Monique kümmern. Sie kennt mich nicht. Und du hast in London keine andere Aufgabe, als dich ab und zu Herrn Heinrich Fellgrub zu zeigen. Von weitem. Es wird nicht lange dauern, und Ewald Peltzner wird nervös werden. Er wird's mit der Angst zu tun kriegen. Und das warten wir ab! Je kälter und gelassener wir sind, um so eher wird er eine Dummheit machen.«
    »Und du glaubst nicht, daß es wenigstens möglich ist, Gisela eine Nachricht zukommen zu lassen?« fragte Klaus Budde leise.
    »Nein. Nach dem, was passiert ist … Maggfeldt wird sich hüten …«
    »Auch für dich als Anwalt nicht?«
    »Wen vertrete ich denn? Die Familie?« Und als Budde ratlos schwieg: »Na also. Alle anderen Interessen zählen nicht! Sogar deine Verlobung hat man annulliert …«
    »Was?« Dr. Budde fuhr

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