Entmündigt
hatte, einige Fotokopien und beglaubigte Abschriften. Nichts oder wenig für jemand, der die Verhältnisse in den Peltzner-Werken nicht kannte. In der Hand eines Eingeweihten wie Dr. Klaus Budde aber konnte dieser unscheinbare Aktenhefter zu einer tödlichen Waffe gegen Ewald Peltzner werden …
Minuten später läutete bei Peltzner das Telefon. Er hob den Hörer auf und vernahm die untertänige Stimme des Hauptportiers.
»Herr Dr. Budde hat soeben das Haus verlassen, Herr Generaldirektor!« sagte er. »Ja … er ist mit dem Auto fortgefahren …«
Ewald Peltzner warf den Hörer hin und hastete los. Dann stand er, heftig atmend, im verlassenen Büro Dr. Buddes. Er sah den weit offenstehenden Tresor und wußte, warum er so demonstrativ ins Auge fallen sollte.
Zum erstenmal fühlte sich Ewald Peltzner seiner Sache nicht mehr ganz so sicher.
*
Rechtsanwalt Dr. Gerd Hartung legte den unscheinbaren Aktenhefter, den ihm sein Freund Klaus Budde gegeben hatte, in den Tresor und ließ das Kombinationsschloß zuschnappen. Die vielleicht tödliche Waffe gegen Ewald Peltzner war in Sicherheit.
»Schön und gut«, sagte Hartung, »aber sehr viel haben wir bis jetzt auch damit nicht in der Hand.« Und als Budde ihn fragend ansah: »Mann, die Familie Peltzner-Fellgrub hat jede Menge Geld, und wir haben keins. Man kann das nicht illusionslos genug sehen. Dazu gehört, endlich zu kapieren, daß Gisela Peltzner jetzt auch amtlich für verrückt erklärt und entmündigt wurde. Das erschwert alles ungeheuer! Ein deutsches Amt irrt sich nie … und wenn, dann bedarf es monatelanger, wenn nicht jahrelanger Nachprüfungen, ehe man diesen Irrtum begreift, bedauert und korrigiert.«
»Das heißt?« Klaus Budde starrte seinen Freund an.
»Das heißt ganz hart: Es kann sein, daß Gisela ein oder zwei oder drei Jahre in der Anstalt bleiben muß, ehe wir zu einem Ergebnis kommen …«
»Nein, Gerd. Das darf nicht sein – das darf einfach nicht sein.«
»Wie willst du es ändern? Willst du sie vielleicht entführen?«
»Das wäre eine Möglichkeit …«, sagte Budde und schien durch Hartung hindurchzusehen.
»Idiotie wäre das! Man würde uns um die ganze Welt jagen! In diesem Augenblick würde man Gisela zu einer gemeingefährlichen Geisteskranken erklären, und keine Polizeidienststelle würde ein Auge zudrücken, nur weil sie blond ist und gut aussieht!« Dr. Hartung setzte sich, nahm einen neuen Block Papier und einen Kugelschreiber. »Ich bin Jurist, Klaus«, sagte er, »und wir Juristen müssen verdammt nüchterne Menschen sein, auch wenn es um Menschenschicksale geht! Rechnen wir also einmal los: Was verdienst du?«
»Im Augenblick nichts! Peltzner hat mir gekündigt«, sagte Dr. Budde.
»Also Fehlanzeige! Hast du Rücklagen?«
»Knapp zweitausend Mark.«
»Das ist ein Klacks!« Dr. Hartung notierte Zahlen. »Ich habe etwa 10.000 Mark auf der Kasse. Meine Praxis geht leidlich, sie bringt im Monat einen Reingewinn von etwa 2.000 Mark. Aber wenn ich in der Weltgeschichte herumreise, um Gisela zu helfen, kann ich keine Praxis mehr machen! Und nun die Gegenseite. Die brauchen überhaupt nichts zu tun, und ihr Vermögen wächst trotzdem. Es ist ein ungleicher Kampf, findest du nicht?«
Budde ging erregt im Zimmer auf und ab. Er war nicht in der Lage, nüchtern zu denken.
»Was soll deine Rechnerei? Damit holst du Gisela bestimmt nicht aus dem Irrenhaus!« sagte er dumpf. »Wir müssen beweisen, daß sie gesund ist … das ist der einzige Weg!«
»Bitte, dann beweis es! Hast du Beweise? Einen Verdacht – man lacht dich aus. Zahlen, die auf Unterschlagungen hindeuten – wird man sie aber auch als Schlüssel zu Giselas Einweisung in die Irrenanstalt anerkennen? Kann man daraus schon Erbschleicherei ableiten? Vielleicht, wahrscheinlich nicht …«
»Aber was sollen wir denn machen, Gerd? Zusehen, wie Gisela wirklich irrsinnig wird? Langsam werd' ich's selbst.«
»Wir werden einen Kredit aufnehmen. Ohne Geld brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Aber wenn wir Geld haben, fährst du nach London und ich nach St. Tropez.« Dr. Hartung nahm wieder den Kugelschreiber und sah auf seine dürftigen Zahlen. »Was hast du als Sicherheiten für einen Kredit anzubieten?«
»Meinen Wagen. Ja … und Max …«
»Was? Max existiert noch immer?«
»Er steht in der Garage und bekommt sein Gnadenbrot.«
»Das wäre etwas!« Hartung notierte eine Zahl. »Beleihung des neuen Wagens … auf Max bekommst du höchstens einen Krankenschein!
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