Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entscheide dich, sagt die Liebe

Entscheide dich, sagt die Liebe

Titel: Entscheide dich, sagt die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Goldberg
Vom Netzwerk:
noch Claras Adresse daraufschreiben, und zwar nicht mit Tinte, sondern mit einem wasserdichten Filzstift. Zur Sicherheit. Als er die Anschrift überflog und den Brief zukleben wollte, hielt er inne. Irgendetwas störte ihn, aber was?
    Denk nach, Paolo. Einen Korb hatte er schon bekommen, der zweite Anlauf musste auf Anhieb klappen. Schon um Danieles freche Prognose Lügen zu strafen.
    Dass Clara arrogant und unnahbar sei, hatte Daniele gesagt. Aber Paolo wollte das nicht glauben. Sie war nicht von dieser Welt, sie lebte in ihrer Musik. Deshalb wirkte sie unnahbar. Und obwohl sie zwei Jahre älter war als Bianca – das hatte er recherchiert –, schien sie so viel kindlicher zu sein. Schüchtern und unschuldig. Er fragte sich, ob ihn nach seinen bisherigen Erfahrungen mit kessen, flatterhaften Frauen vielleicht gerade dieses Schüchterne und Unschuldige an ihr reizte. So sehr reizte, dass er an nichts anderes mehr denken konnte. Dass er von ihr träumte, nicht nur nachts, und es tatsächlich nicht übers Herz gebracht hatte, mit der Kellnerin des Caffè Martini zu schlafen. Was seinem Ruf, ein würdiger Nachkomme des Grafen Casanova zu sein – immerhin stammte er in direkter Linie von dem alten Herzensbrecher ab –, über kurz oder lang schaden musste. Die Kellnerin war jedenfalls schwer enttäuscht gewesen.
    Daniele hätte vermutlich herzhaft darüber gelacht und gesagt: »Ah, mein Lieber, wirst du also endlich erwachsen?«
    Aber Daniele würde er das entgangene Abenteuer bestimmt nicht auf die Nase binden. Er würde seinen besten Freund mit Claras Zusage überraschen. Und um das zu erreichen, musste er noch einmal gründlich in sich gehen.
    Was, wenn sie den Brief gar nicht lesen würde? Vielleicht las sie grundsätzlich keine Briefe von unbekannten Absendern? Dann wäre die ganze Mühe umsonst, wären Danieles Formulierungskünste ebenso verschwendet wie Paolos schöne Schrift und das edle Papier. Nein, das durfte er nicht riskieren.
    Wieder begann er, im Zimmer herumzuwandern. Wieder trat er auf den Balkon hinaus, um eine Nase voll Magnolienduft zu inhalieren. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Sonne bereits hinter dem Dach des Palazzo verschwunden war. Der Gärtner hatte seine Harke gegen den Stamm des Pfirsichbäumchens gelehnt und rauchte eine Zigarette. Paolo musste sieben Runden durch sein Arbeitszimmer drehen, bis ihm die Lösung zufiel wie eine reife Frucht. Mit einem Knopfdruck fuhr er den Laptop hoch, öffnete den Browser. Die Maske der Suchmaschine erschien. Er gab »Clara Prachensky« ein und »Agentur« und gelangte auf die Homepage der Musikagentur Dillinger & Voss. Punktlandung. Im Impressum fand er die Adresse von Richard Dillinger. Die schrieb er auf einen neuen Briefumschlag. Zufrieden rieb er sich die Hände. Das würde seinem Schreiben einen offiziellen Touch verleihen. Und wenn alle Stricke rissen und er es tatsächlich nicht schaffte, Clara zu überzeugen, dann würde ihr Agent das tun. Falls er so geschäftstüchtig war, wie Paolo hoffte.
    Zuletzt versah er das Kuvert mit seinem Absender, klebte es zu und versiegelte es. Er lächelte, als er das Wappen der Familie Minotti in den heißen Siegellack drückte, und er lächelte immer noch, als er den Brief zur Post brachte. Eine Signorina mit mahagonibraunen Locken wollte gerade den Schalter schließen, doch vermutlich konnte sie seinem strahlenden Antlitz nicht widerstehen. Natürlich nicht! Sie hörte sich seine wortreiche Entschuldigung an, lächelte zurück und nahm den Brief entgegen. Mit einem weiteren Lächeln klebte sie eine Briefmarke auf das Kuvert, drückte den Stempel darauf und legte den Brief auf den Stapel derer, die ins Ausland gehen sollten.
    Paolo fasste sich an die Brust. Sein Herz schlug schnell und aufgeregt. Er atmete tief durch und schickte dem Brief rasch noch ein allerletztes Lächeln hinterher – sollte es die lockige Signorina ruhig auf sich beziehen! –, ehe er sich losriss und nach Hause ging. Er versuchte, sich Claras Gesicht vorzustellen, wenn sie den Brief las, und ihm wurde ein wenig bang. Würden ihre grünen Augen Funken sprühen oder mild leuchten, würde sie ihre Krallen ausfahren und das Schreiben zerreißen oder es mit Samtpfötchen behandeln?
    Dann überschlug er, wie viel lächelnde Energie diesen Brief begleitete. Seine Zuversicht blähte sich auf wie ein Segel im Wind.

 
    Z wei Wochen nach der Beerdigung fühlte Clara sich immer noch müde und ausgelaugt. Kein Übemarathon hatte sie je so

Weitere Kostenlose Bücher