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Entscheide dich, sagt die Liebe

Entscheide dich, sagt die Liebe

Titel: Entscheide dich, sagt die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Goldberg
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vors Gesicht geschlagen. Als sie sie wieder sinken ließ, waren ihre Wangen kalkweiß. Abrupt drehte sie sich um und rannte hinaus. Hinter ihr schlug die Tür zu.
    »Und ob ich es so gemeint habe. Man sollte der Wahrheit immer ins Gesicht schauen!«
    »Wahrheit? Nichts als Vermutungen!«, fauchte Paolo. »Du reimst dir da allerhand zusammen.«
    »Warum wäre dir Diskretion so wichtig, wenn du nicht dasselbe denken würdest wie ich? Du willst es bloß nicht hören! Weil du immer alles Unangenehme von dir wegschiebst und dir lieber deine eigene Wahrheit zurechtlegst!«, schrie Daniele. Er war so aufgebracht, dass seine Handflächen zu schwitzen begannen.
    Die Ohrfeige traf ihn völlig überraschend. Paolo hatte ansatzlos zugeschlagen. »Und selbst wenn!«, brüllte er zurück. »Wer gibt dir das Recht, Clara zu beleidigen und den Ruf ihres Vaters in den Dreck zu ziehen?« Er funkelte Daniele böse an. »Die Wahrheit ist die Mutter des Hasses. Und deine Zunge ist ein Dolch aus Fleisch.«
    Daniele lachte auf. Er nahm die Leinwand aus der Halterung, rollte sie vorsichtig zusammen und steckte sie in die Kunststoffhülle zurück. Die Rolle drückte er Paolo in die Hand. »Verschwinde. Und lass deine dämlichen Sprichwörter stecken!«
    »Cretino!«, zischte Paolo und rauschte hinaus. Ein zweites Mal schlug die Tür zu, es klang wie ein Schuss.
    Daniele hatte das Gefühl, etwas Kostbares zerbrochen zu haben. Auf seinen Lippen blieb ein bitterer Geschmack zurück. Sein Vater öffnete den Mund, als wollte er ihn um eine Erklärung bitten. Aber er sagte nichts. Stattdessen zog er Daniele in eine unbeholfene Umarmung, als ahnte er, welche widersprüchlichen Kräfte in seinem Inneren tobten.

 
    C lara war aufgewühlt. Während der Rückfahrt stand sie am Bug des Bootes und starrte auf die Silhouette Venedigs, die sich am Horizont abzeichnete, ohne sie zu sehen. Tränen liefen über ihr Gesicht. Es waren heiße, zornige Tränen, an denen der Fahrtwind kein Verschulden hatte. Was war nur in diesen Daniele gefahren? Bei der Geburtstagsparty der Contessa hatte sie mit ihm getanzt, sich in ihrer Muttersprache mit ihm unterhalten und ihn als ausgesprochen sympathischen Zeitgenossen eingestuft. Was für ein Irrtum!
    So intensiv sie auch darüber nachgrübelte, sie kam nicht dahinter, was er mit den Vorwürfen gegen ihren Vater bezweckte. Mit derart hirnrissigen, haltlosen und lächerlichen Vorwürfen gegen einen großen Musiker, einen Mann, den er nicht einmal gekannt hatte. Sein Verhalten war völlig irrational, und es hatte sie zutiefst gekränkt.
    Kopflos war sie aus der Werkstatt der Rossis gestürzt und durch die Felder gelaufen, bis ihre Füße schmerzten und sie völlig die Orientierung verlor. Paolos Rufe hörte sie nicht. Erst als er sie einholte und den Arm um ihre Schultern legte, kam sie wieder zu sich.
    »Ich möchte mich für meinen Freund entschuldigen«, hatte Paolo gesagt. »Und jetzt lass uns die Sache vergessen und nach Hause fahren.«
    Als sie den Canal Grande erreichten, fragte sie sich, wo ihr Zuhause war. In der Villa Prachensky, die ohne das Summen von Paps, wenn er ins Partiturstudium versunken war, und ohne Amelies vertrautes Töpfeklappern so unheimlich und steril wirkte? Und aus der Claras persönliche Dinge inzwischen entfernt worden waren …
    »So gut wie verkauft«, hatte der Makler auf ihre Mailbox gesprochen, und seine Stimme hatte höchst erfreut geklungen. Nein, das Haus, in dem sie aufgewachsen war, konnte sie nicht mehr ihre Heimat nennen. Am besten, sie vergaß es so schnell wie möglich. Und wie stand es mit der Ca’ Minotti? Dem Palast mit dem altehrwürdigen Gemäuer, den Möbeln, die man kaum zu benutzen wagte, weil sie in Wahrheit Antiquitäten waren, den Bediensteten, denen man niemals ansah, was sie dachten, und der affektierten Contessa, die Clara nicht leiden konnte? Nein. So gern sie Paolo mochte, der Palast der Minottis stellte lediglich eine Art Asyl für sie dar. Es war der Ort, wo ihr Flügel stand. Für den Augenblick war das mehr, als sie erwarten durfte, und Paolos Gastfreundschaft erfüllte sie mit allergrößter Dankbarkeit. Sollte der Klimt echt sein, muss ich sie vielleicht nicht mehr lang strapazieren und kann ihm hundertfach zurückgeben, was er für mich getan hat, dachte sie.
    »Ich möchte diesen Experten konsultieren, von dem Signor Rossi gesprochen hat«, sagte sie während des gemeinsamen Abendessens zu Paolo.
    Er legte Messer und Gabel weg und zog seine Stirn in

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