Entscheide dich, sagt die Liebe
gerade gesagt habe. Dein gräflicher Kumpel hat sehr geheimnisvoll getan.«
Daniele betrachtete das Gemälde auf der Werkbank. Es handelte sich um eine Madonnendarstellung, vermutlich aus dem 18. Jahrhundert. Ein hübsches Bild, aber unspektakuläre Durchschnittsware. Die Leinwand war etwa zur Hälfte von einer schmierigen dunklen Schicht überzogen, garantiert stammte sie aus dem Besitz eines starken Rauchers. Die andere Hälfte hatte sein Vater bereits gereinigt. Das Blau von Marias Mantel strahlte wieder, ihr Gesicht schimmerte rosig, der Heiligenschein glänzte wie Gold. Zwei Risse kamen zum Vorschein, die mit Kitt gefüllt und dann retouchiert werden mussten.
»Wie geht’s dir, Sohn? Kommst du im Studium voran?«
Daniele nickte im Zeitlupentempo. »Prima«, sagte er. Völlig falsch war das nicht, denn er hatte bisher alle Prüfungen bestanden und lag gut in der Zeit. Aber die Motivation war ihm abhanden gekommen, weil er sich ständig fragte, wozu er ein Diplom machen sollte, wenn es praktisch ausgeschlossen war, eine Stelle zu finden oder als freiberuflicher Übersetzer genug zu verdienen. »Ich fühle mich fast ein bisschen unterfordert«, log er. »Was hältst du davon, wenn ich dir wieder öfter in der Werkstatt helfe?«
»Kommt nicht infrage. Was würde deine Mutter sagen? Sie ist so stolz auf dich und dein Sprachtalent.«
Ehe Daniele etwas erwidern konnte, wurde die Tür aufgedrückt und Paolo trat ein, breit grinsend wie immer. Er trug eine Rolle aus Kunststoff unter dem Arm. Als er zur Seite trat, fiel Danieles Blick auf Clara. Sie war also auch hier! Ihr Haar leuchtete weißgolden wie die Gloriole der gereinigten Madonna auf der Werkbank und im Atelier wurde es um etliche Nuancen heller. Ihre freundliche Begrüßung versetzte ihm einen Stich, und er vermied es, in die dunkelgrünen Augen zu sehen.
Seit der Geburtstagsparty der Contessa waren zwei Wochen vergangen. In dieser Zeit mussten Clara und Paolo einander nähergekommen sein. Paolos Grinsen zufolge sehr nahe. Sein Plan schien also aufgegangen zu sein. Kein Wunder. Er sah gut aus, er war reich, ein Mann von Welt und ein Graf. Wie im Märchen. Logisch, dass da die Frauen reihenweise schwach wurden. Daniele ärgerte sich, als er das Gefühl erkannte, das in ihm aufloderte: Eifersucht.
Er schüttelte sich und zwang sich, an etwas anderes zu denken. An die Leinwand, die Clara – nachdem sie sich mit seinem Vater bekannt gemacht hatte – aus der Kunststoffrolle herausnahm. Sein Vater zog Handschuhe an und spannte das Bild anstelle der Madonna auf die Werkbank.
»Dieses Gemälde habe ich geerbt, Herr Rossi. Können Sie mir sagen, ob es echt ist?«
Während sein Vater die Brille abnahm und das Bild mit zusammengekniffenen Augen begutachtete, trat auch Daniele näher heran. Eine aus hellgrünen und bunten Tupfen bestehende Blumenwiese breitete sich vor ihm aus, die in der Bildmitte in einen See aus dunkelgrün-bläulichen Tupfen überging. Am Seeufer im Hintergrund erkannte man ein windmühlenartiges Gebäude. Die typisch impressionistische Landschaftsdarstellung war mit »Gustav Klimt« signiert, und auf den ersten Blick wirkte die Unterschrift echt. Genau solche Bilder hatte Daniele einmal in einer großen Klimt-Ausstellung gesehen. »Wunderschön!«, entfuhr es ihm.
Sein Vater nickte. »Was meinst du, Sohn?«
»Mein erster Eindruck ist, dass es durchaus echt sein könnte. Um das eindeutig festzustellen, muss allerdings ein Experte her.«
»Daniele hat recht, Signorina Prachensky. Wir sind in dieser Werkstatt leider nicht dafür ausgerüstet, die Leinwand mit Infrarot, ultraviolettem und Wood’schem Licht zu bestrahlen, aber ich kenne ein kleines, feines Museum hier in Venedig, wo man diese Untersuchungen durchführen kann. Wenden Sie sich an Signora del Torre. Außerdem sollten Sie einen Klimt-Experten hinzuziehen. Ich denke an Professor Vannini, der ist zwar schon in Pension, aber eine unumstrittene Koryphäe auf seinem Gebiet. Er lebt in Verona.«
Clara bedankte sich. Dann fragte sie, wo sich das Museum befand, und bat auch um die Adresse des Professors.
Daniele fing den Hilfe suchenden Blick seines Vaters auf. Natürlich, seine Handschrift war zu zittrig geworden, um noch leserlich zu sein. »Ich mache das«, sagte er rasch, setzte sich an den Schreibtisch und notierte das Gewünschte auf einem Zettel, den er Clara gab.
»Ist dieser Experte auch diskret?«, murmelte Paolo.
Daniele runzelte die Stirn. »Warum ist das wichtig?
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