Entscheide dich, sagt die Liebe
hatte, konnte sie ihm diese Bitte nicht abschlagen.
Clara mochte den Garten im Innenhof der Ca’ Minotti. Sie mochte, wie das Wasser murmelte, mochte die verrückte Brunnenfigur, den Neptun, der eigentlich ein Bacchus war oder umgekehrt. Der Abend war mild und das betörende Blau der Glyzinienblüten, das im Licht der untergehenden Sonne ins Blassviolette kippte, tauchte diesen abgeschiedenen Ort in ein märchenhaftes Licht. Aus dem Kräuterbeet zog Thymianduft herüber und irgendwo quakte ein Frosch.
Paolo hatte eine Flasche Amarone mitgebracht und zwei Kristallgläser, die mit feinem Zirpen aneinanderstießen. »Auf dich und die Musik!«
»Auf dich und deine Großzügigkeit!« Clara nippte an ihrem Glas. Sie trank selten Alkohol, und Rotwein schmeckte ihr nicht besonders. Aber dieser war mild und rund, und er wärmte sie von innen.
Paolo zupfte ihr eine verwelkte Blüte aus dem Haar. »Nach unserem unerfreulichen Ausflug nach Torcello und der ganzen Aufregung mit Daniele möchte ich, dass der Tag doch noch schön ausklingt.« Er zog ein kleines Päckchen aus der Brusttasche seines Leinenhemds. »Das ist für dich.«
Clara erschrak. Das Päckchen hatte die Form einer Schmuckschatulle. Hoffentlich würde er ihr nicht einen Ring schenken oder etwas ähnlich Verfängliches. Seit sie samt Flügel im Palazzo eingezogen war, hatte er sich sehr zurückhaltend benommen. Sogar die Gute-Nacht-Küsse hatte er eingestellt, worüber sie froh war.
Mit zitternden Fingern riss sie das Papier auf. Zum Vorschein kam: eine Schmuckschatulle. Clara öffnete sie zaghaft und – atmete auf. Kein Ring. Ein Schlüssel lag auf dem dunklen Samtkissen. Er sah ziemlich gewöhnlich aus, und sie hatte keine Ahnung, was es damit auf sich hatte.
»Erkennst du ihn?« Paolo zappelte aufgeregt auf seinem Gartenstuhl herum.
Sie sah ihn fragend an. »Er sieht aus wie alle Schlüssel.«
»Das täuscht. Es ist ein ganz besonderer.«
Sie begriff gar nichts.
»Einer, den du schon oft in der Hand gehalten hast.«
Wie ein gleißendes Licht blitzte die Erkenntnis auf. »Nein!«, entfuhr es ihr. »Sag, dass das nicht wahr ist.«
Paolo nahm ihr rasch das Rotweinglas aus der Hand, ehe sie es fallen ließ. »Oh doch, meine Liebe. Ich habe die Villa Prachensky so gut wie gekauft. Nur einige Formalitäten müssen noch erledigt werden.«
»Aber es gab doch bereits einen Interessenten.«
»Den habe ich überboten. Dein Makler war sehr erfreut.«
»Wozu? Du hast doch gar keine Verwendung dafür.«
»Gibt es eine bessere Verwendung für ein Haus, als es einer wunderbaren Frau, was sage ich, einem Engel zu schenken? Nach Abwicklung des Papierkrams wird es schuldenfrei sein, und du kannst damit tun und lassen, was du willst.«
Clara schwindelte. Es hatte ihr die Sprache verschlagen. Ein Geschenk dieser Größenordnung durfte sie nicht annehmen. Niemals! Auch wenn Paolo noch so reich war und solche Summen ausgab, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie durfte nicht.
»Ich hoffe natürlich, dass du trotzdem weiter hier wohnen wirst. Die Villa ist doch viel zu groß für dich allein. Du könntest sie vermieten und hättest damit ein regelmäßiges Einkommen.«
Immer noch sprachlos starrte sie ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Es wäre so angenehm, alle Bedenken einfach über Bord zu werfen. Einmal nicht den mühseligen Weg einzuschlagen, sondern den leichten. Nicht die staubige, steinige Straße zu wählen, die steil anstieg, sondern die asphaltierte mit den eingebauten Rolltreppen und den Erfrischungsstationen am Straßenrand.
Nein, Clara, das kannst du nicht machen.
Konnte sie nicht? Oder müsste sie nur einmal über ihren Schatten springen? Und wäre das vielleicht einen Versuch wert?
»Was sagst du?« Paolo blickte sie erwartungsvoll an.
In seinen Augen las sie, welches Glücksgefühl ihre Zustimmung bei ihm auslösen würde. Sie erkannte, wie groß seine Enttäuschung wäre, falls sie ablehnte. Und dann legte sich in ihrem Kopf ein Schalter um. Sie sprang auf und fiel ihm um den Hals.
»Freust du dich?«, murmelte er in ihr Haar.
»Du verrückter … du wunderbarer …« Sie nahm seinen Kopf in beide Hände und küsste ihn.
Zuerst reagierte er nicht, vielleicht, weil er zu verblüfft oder zu rücksichtsvoll war, dann kam Leben in seine Lippen, und er küsste zurück.
Ein unberechenbares Verlangen erwachte in ihr und wischte all ihre Bedenken mit einem Handstreich beiseite. Sie öffnete den Mund und schickte die Zunge auf Wanderschaft. Zum
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