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Entscheide dich, sagt die Liebe

Entscheide dich, sagt die Liebe

Titel: Entscheide dich, sagt die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Goldberg
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Locanda Cipriani zu, das Feinschmeckerrestaurant, in dem einst Ernest Hemingway Stammgast gewesen war.
    Daniele sah ihnen nach, dann ging er weiter zum Ponte Diavolo, der gerade von einigen Touristen fotografiert wurde. Er durchquerte ein brachliegendes Feld, sprang über einen Wassergraben und erreichte den Gemüsegarten seiner Mutter. Links von dem Brett, über das er balancierte, wucherten Zucchini und streckten ihm fröhlich ihre gelben Trompetenblüten entgegen. Auf der rechten Seite reckten sich Artischocken in Richtung Sonne. Wie zerzauste Zinnsoldaten mit violett-behelmten Köpfen standen sie da.
    Das Haus seiner Eltern blitzte ockerfarben unter dem dichten Blattwerk von Lorbeer- und Olivenbäumen hervor. Und obwohl die Farbe schon abblätterte und der eine oder andere Fensterladen etwas schief in den Angeln hing, gab es weit und breit keinen schöneren Anblick für ihn. Aus dem Kamin kringelte sich ein Rauchfaden, seine Mutter kochte also bereits. Danieles Magen knurrte auf und erinnerte ihn daran, dass er wieder einmal keine Zeit gehabt hatte, zu frühstücken. Einen Augenblick war er in Versuchung, zuerst ins Haus zu gehen, etwas aus Mamas Kochtopf zu stibitzen und sie auf ihren halbherzigen Protest hin dreimal herumzuwirbeln und auf beide Wangen zu küssen. Aber dann überlegte er es sich anders, bog um die Ecke und drückte die Türklinke der Werkstatt hinunter. Ehe er eintrat, wischte er mit seinem Ärmel über das Messingschild, auf dem Studio di Restauro Aldo Rossi zu lesen war. In reichlich verschnörkelten Buchstaben.
    Der scharfe Geruch nach Lösungsmittel verriet ihm, was sein Vater gerade machte. Über die Werkbank gebeugt, reinigte er ein Ölgemälde. Vor den Augen hatte er die Lupenbrille, die wie eine Mischung aus Skibrille und Fernglas aussah. In der Linken hielt er ein braunes Glasfläschchen, in der Rechten einen Wattebausch. Daniele erschrak, als er sah, wie sehr die Hand mit dem Fläschchen zitterte. Er musste sich beherrschen, um nicht hinzustürzen und es seinem Vater wegzunehmen, bevor sich der Inhalt über das Bild ergießen würde und damit alles verdorben wäre.
    »Bist du das, Daniele?«, fragte sein Vater, ohne den Kopf zu drehen und seine Arbeit zu unterbrechen.
    » Ciao, papa! Tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Aber der Motor ist nicht angesprungen. Ich musste erst die Zündkerzen wechseln.« Das Boot, das Paolo ihm geschenkt hatte, war ein Segen, auch wenn es seine Macken hatte. Es machte ihn unabhängig von den Fahrzeiten der Vaporetti. So konnte er jederzeit auf eine Stippvisite nach Torcello kommen.
    »Noch hast du nichts versäumt.«
    »Du erwartest einen neuen Kunden?«
    »Ich erwarte einen guten Freund von dir, der ein Bild zur Begutachtung bringen will.« Sein Vater warf den Wattebausch weg, schraubte das Fläschchen zu und vertauschte die Lupenbrille mit seiner gewöhnlichen aus Horn. »Sie müssten eigentlich jeden Moment hier aufkreuzen.« Langsam tippelte er zum Fensterbrett und ergriff das Wasserglas, das dort immer bereitstand. Obwohl es nur noch halb voll war und er es mit beiden Händen festhielt, schwappte ein wenig Wasser über den Rand, bevor er es schaffte, das Glas an die Lippen zu setzen.
    Daniele schluckte. Mit anzusehen, wie der Zustand seines Vaters sich von Tag zu Tag verschlechterte, tat weh. Unerbittlich, wie die Zeiger der Schwarzwälder Kuckucksuhr vorrückten, die über dem Schreibtisch hing, schritt die Krankheit fort. Ich muss in Zukunft täglich herkommen und mithelfen, dachte er. Papa schafft es nicht mehr allein. »Welchen Freund meinst du?« Er versuchte, weder auf die kleine Pfütze zu schauen, die sich am Atelierboden gebildet hatte, noch auf Vaters Hände zu achten, die auch noch zitterten, als er das Glas längst weggestellt hatte. »Wer soll hier aufkreuzen?«
    Morbus Parkinson war eine teuflische Erkrankung. Bei manchen Betroffenen ließ sie die Muskulatur erstarren und hart wie Stein werden. Sie blockierte ihre Bewegungen, verkürzte ihre Schritte, bis sie regelrecht vergaßen, wie Gehen funktionierte. Andere Opfer ließ sie zittern wie Espenlaub, bis sie keinen Pinsel mehr führen, keinen Stecker mehr löten, keinen Nagel mehr einschlagen konnten. Am Schluss gelang es ihnen nicht einmal mehr, ihre Suppe allein zu essen, weil auf dem Weg zum Mund kein Tropfen im Löffel blieb. Danieles Vater gehörte zu den Zitterern.
    »Na, dein bester Freund.«
    »Paolo? Macht er jetzt in Kunst?«
    »Ich weiß auch nicht mehr, als ich dir

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