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Entscheide dich, sagt die Liebe

Entscheide dich, sagt die Liebe

Titel: Entscheide dich, sagt die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Goldberg
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ersten Mal in ihrem Leben ergriff sie die Initiative. Sie war verdammt noch mal erwachsen. Und sie hatte es satt, auf die vernünftigen Stimmen in ihrem Kopf zu hören oder auf die Ratschläge ihres toten Vaters, der so viele Geheimnisse vor ihr gehabt hatte. Sie schmiegte sich in Paolos Arme, hörte, wie das pelzige Tier in ihrem Bauch seine Frettchenstimme erhob, und hieß es willkommen.
    Paolo stöhnte auf.
    Sie fühlte, wie seine Leidenschaft erwachte, und drückte sich an ihn.
    »Ti amo, bellissima«, flüsterte er.
    »Voglio fare l’amore con te«, antwortete sie. Sie wollte endlich das erleben, was die ganze Welt für das Großartigste, Umwerfendste, Berauschendste schlechthin hielt. Wollte tun, was ihre Schulkolleginnen schon mit vierzehn oder fünfzehn zum ersten Mal getan hatten.
    Paolo nahm sie an der Hand und zog sie mit sich ins Haus. Aus dem Augenwinkel nahm sie die Silhouette der Gräfin hinter einem der Fenster wahr. Ein Schatten, der sich im nächsten Moment in der Dunkelheit auflöste. Etwas Kaltes rieselte ihren Rücken hinunter. Sie sah noch einmal hin, aber die Contessa war verschwunden.

 
    E r betrachtete ihre langen, schlanken Glieder, die perfekten Proportionen, die makellose Haut und das weißblonde Haar, das nicht gefärbt war, sondern eine Laune der Natur. Plötzlich spielte ihm das diffuse Licht der Morgendämmerung einen Streich. Es kam ihm so vor, als wäre sie keine Frau aus Fleisch und Blut, sondern eine Mischung aus Engel und Madonna, von Michelangelo aus einem einzigen Block weißen Carrara-Marmors gehauen.
    Vorsichtig legte Paolo seine Hand auf ihren Arm, als wollte er testen, ob sie sich kühl wie Stein anfühlte. Beruhigt stellte er fest, dass ihre Haut warm war. Sah, dass die Ader an ihrer Schläfe pulsierte und ihr Brustkorb sich kaum wahrnehmbar hob und senkte.
    Das Kunstwerk lebte. Die engelhafte Madonna lag nackt in seinem Bett und schlief, erschöpft von der Liebe.
    Als er eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht strich, begann Clara, sich zu bewegen. Ohne dabei aufzuwachen, zog sie ein Bein an und drehte sich auf die Seite.
    Der Gedanke an die vergangene Nacht erfüllte ihn mit sagenhaftem Stolz. Endlich hatte er die harte Schale der Nuss geknackt und den süßen Kern vernascht. Dabei hatte er beinahe schon das Handtuch geworfen und an seinem Charme und seinem Charisma zu zweifeln begonnen. Noch nie hatte er sich eine Eroberung derart hart erkämpfen müssen!
    Er lächelte in sich hinein. Wenn seine Mutter wüsste, wie viel Geld er im Vorfeld seines Verführungsfeldzugs ausgegeben hatte, bekäme sie womöglich einen Herzinfarkt. Vermutlich hätte sie schon die Gage für Claras Klavierspiel als horrend empfunden, vom Kaufpreis der Villa Prachensky ganz zu schweigen.
    Aber die Investition hatte sich gelohnt. Sein Geschenk hatte Clara zutiefst gerührt und ihr die Augen über die Ernsthaftigkeit seiner Absichten geöffnet. Denn es ging ja längst nicht mehr um irgendeine Bettgeschichte, um eine seiner ebenso heißen wie kurzlebigen Affären. Nein. Diesmal ging es um etwas Dauerhaftes. Um die Zukunft.
    Seit seinem 27. Geburtstag lag seine Mutter ihm in den Ohren, dass es höchste Zeit sei, zu heiraten und sie zur Großmutter zu machen. Er hatte darüber gelacht, hatte immer neue Ausreden erfunden und versucht, von dem nervigen Thema abzulenken. Seit Clara in sein Leben getreten war, fühlte er sich nicht nur reif, eine Familie zu gründen, er konnte es nicht mehr erwarten. Warum? Er wusste es nicht. Weil er endlich erwachsen geworden war? Weil Clara es als erste Frau nicht darauf abgesehen hatte, ihn zum Standesamt zu schleppen? Oder einfach, weil sie wie maßgeschneidert für ihn war? Ihr bildschönes Äußeres prädestinierte sie dazu, ihn auf Empfänge zu begleiten, der Name ihres berühmten Vaters verlieh ihr zusätzlichen Glanz und ihr musikalisches Talent würde die strahlenden Feste in der Ca’ Minotti zu unvergleichlichen, ja zu legendären Events machen. Außerdem war sie klug und temperamentvoll. Im Bett gab sie sich zwar zu Paolos Bedauern noch sehr zurückhaltend, aber sie war ja quasi Anfängerin und wie hieß es so schön? L’esercizio fa il maestro  – Übung macht den Meister. Er grinste. Mit ihr zu üben, so intensiv und so oft wie möglich, würde ihm nicht schwerfallen.
    Er stand leise auf und begab sich ins Bad. Unter der Dusche malte er sich das bevorstehende Verlobungsfest bis ins kleinste Detail aus. Der gesamte piano nobile würde in einem Meer von

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