Entscheide dich, sagt die Liebe
machen, Daniele«, sagte Giulia. So leidenschaftlich sie sich mit ihrem jüngeren Bruder stritt, so sehr vergötterte sie den älteren.
»Oh doch, das muss ich. Ich will nämlich auch ein nützliches Mitglied der Gesellschaft sein und ein ganzer Rossi«, sagte er. »Deshalb nehme ich dir heute das Geschirrspülen ab, piccolina. « Es bot ihm die einmalige Gelegenheit, unter vier Augen mit seiner Mutter zu sprechen.
Während Vater seinen Mittagsschlaf hielt, Giulia und Enzo draußen in der Wiese herumtobten und Daniele mit glitschigen Fingern einen sauberen Teller aus dem Abspülwasser fischte, hielt seine Mutter im Marmeladerühren inne und musterte ihn. »Viel hast du heute nicht gegessen. Hat es dir nicht geschmeckt?«
»Deine Canneloni waren wieder einmal sensationell, Mama. Ich war nur nicht besonders hungrig.«
»Blass bist du auch. Wirst du mir am Ende krank?«
Er verdrehte die Augen. »Aber nein. Ich bin ein bisschen müde, das ist alles.« Er spülte den Schaum vom Teller und stellte ihn zum Abtropfen in die Ablage. »Eigentlich wollte ich mit dir über Papa reden.«
Danieles Mutter wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. Sorgenfalten zogen quer über ihre Stirn. »Du hast also auch bemerkt, dass es schlimmer geworden ist?«
Daniele nickte.
»Seit das Zittern sich verstärkt hat, koche ich keine Suppen mehr, obwohl er sie so gern isst. Nicht, weil es mir etwas ausmachen würde, wenn er sie verschüttet. Aber für ihn ist es so erniedrigend.«
»Er muss die Krankheit endlich akzeptieren. Es gibt eigene Becher und Löffel für Parkinsonkranke. Damit hätte er es leichter. Außerdem muss er beruflich kürzertreten. Unlängst hätte er beinahe ein Fläschchen Lösungsmittel über einem Bild verschüttet. Mama, du musst mit ihm sprechen, bitte. Auf mich hört er ja nicht.«
»Du hast recht. Aber wie stellst du dir das vor mit dem Kürzertreten?«
»Er soll nur noch Arbeiten machen, bei denen das Zittern keine Rolle spielt. Seine Erfahrung und seinen Rat einbringen, zum Beispiel. Die Buchhaltung erledigen. Aber das Reinigen oder Retouchieren von Leinwänden ist einfach zu heikel. Zu viel kann verdorben werden, und das würde ihn erst recht frustrieren.«
»Dann brauchen wir einen Angestellten, und den können wir uns nicht leisten.«
»Wir brauchen keinen. Ich werde wieder täglich hier arbeiten. Nicht nur aushilfsweise oder in den Ferien.«
Seine Mutter legte den Kochlöffel weg. »Und dein Studium?«
»Lernen kann ich abends auch noch.« Seine Eltern hatten alles für ihn und seine Geschwister getan, ihr Leben lang. Jetzt war es Zeit, den Spieß umzudrehen und ihnen ein bisschen davon zurückzugeben. Er spülte den nächsten Teller. »Irgendwann werde ich diplomierter Übersetzer sein, vielleicht wird es etwas länger dauern als ursprünglich angenommen.«
»Was sagt Papa dazu?«
»Er wehrt sich noch. Aber ich bin fest entschlossen und hoffe, du unterstützt mich.«
An den senkrechten und waagrechten Falten auf der Stirn seiner Mutter konnte er den Kampf ihrer Gefühle ablesen – die Sorge um ihren Mann und die Sorge um die Zukunft ihres Sohnes. Ein Zwiespalt. »Also gut. Ich rede mit ihm.« Sie nahm Daniele in ihre Arme. »Du bist ein wunderbarer Junge, ich bin so stolz auf dich. Aber sag, bist du deshalb so traurig? Wegen Papa?«
»Wie kommst du denn darauf, dass ich traurig bin?«
»Mir kannst du nichts vormachen.« Sie hielt ihn auf Armlänge von sich weg und sah ihm in die Augen. Der gefürchtete Mama-Blick. Daniele riss sich los und nahm den nächsten Teller in Angriff.
»Ist es der Streit mit Paolo, der dir auf den Magen schlägt?« Sie ließ nicht locker, es war zum Haareraufen.
»Muss ich ein Stück Kuchen essen, obwohl ich keinen Hunger habe, nur um dir zu beweisen, dass es mir gut geht?«
»Ich weiß, dass ihr Krach hattet. Dein Vater hat es mir erzählt. Wegen eines Bildes!« Sie schnaubte.
»Schnee von gestern. Außerdem ging es weniger um ein Bild als um die Wahrheit. Eine möglicherweise unangenehme Wahrheit. Und um die Tatsache, dass Paolo immer den leichten Weg einschlägt, den ohne Dornen, spitze Steinchen und andere Unannehmlichkeiten.«
»Während du dir gern die besonders steinigen und dornenreichen Wege herauspickst. Nicht wahr?«
Daniele schüttelte den Kopf. Mütterweisheiten. »Wir haben uns jedenfalls längst wieder versöhnt.«
»Dann ist ja alles gut. Ich mag Paolo. Er ist so vollkommen anders als du und doch ein so liebenswerter Mensch. Eure
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