Entscheidung aus Liebe
könnte es ihr verdenken? Offenbar mag sie keine Betrüger.
Chloe schnitt gerade Papierpuppen für die Mädchen aus, als Jareth das Spielzimmer betrat. Wieder fiel ihr auf, wie riesig er in dem Raum voller Spielzeugminiaturen wirkte. Überrascht erhob sie sich. Das bunte Papier rutschte von ihrem Schoß und fiel auf den Boden.
„Nein, lassen Sie sich durch mich nicht stören. Bitte fahren Sie fort", sagte er. Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen begann er, wie ein General umherzuschreiten.
Chloe suchte verzweifelt nach einem Grund für seinen Besuch. Was hatte sie nur dieses Mal verbrochen, was seine Anwesenheit hier nötig machte? Doch ihr fiel beim besten Willen nichts ein.
Schließlich setzte er sich, um die Kinder nicht zu beunruhigen. Rebeccahs kleiner Körper hatte sich merklich versteift, als er das Zimmer betreten hatte. Chloe begann wieder, Puppen auszuschneiden. „Sollen wir ihr ein Ballkleid machen, Rebeccah?" Das Mädchen gab ihr keine Antwort.
„Was genau tun Sie da?" fragte der Duke.
Chloe nickte Rebeccah zu. „Zeige deinem Onkel die Papierpuppen, die wir gemacht haben, cherie."
Obwohl das Kind gehorchte, wirkte sie wie ein Opferlamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Jareth nahm das ihm dargebotene Kunstwerk aus Papier entgegen und betrachtete es nachdenklich.
„Diese Figuren sind erstaunlich gut gelungen", sagte er, während er die Puppe in die Höhe hielt und drehte. „Haben Sie die Puppen selbst gemacht? Sie besitzen offenbar ein Talent zum Zeichnen, Miss Chloe."
„Ach, es ist nur eine angenehme Beschäftigung für mich. Außerdem kann ich die Mädchen auf diese Weise damit vertraut machen, welche Kleidung sie später zu welchem gesellschaftlichen Anlass tragen sollten." Sie hoffte, dass sie überzeugend klang.
Er zuckte nur die Achseln und nahm das Reitkostüm in die Hand, das sie schnell gezeichnet und für die Puppe ausgeschnitten hatte. „Faszinierend. Aber natürlich ist eine solche Begabung für jemanden wie mich umso bewundernswerter, da ich nicht einmal eine gerade Linie zeichnen kann."
Lächelnd wandte sie sich wieder ihrer Tätigkeit zu. „Gibt es einen bestimmten Grund für Ihren Besuch, Euer Gnaden?"
„Ah, ja." Er lehnte sich bequem zurück und betrachtete die drei Gesichter, die ihm erwartungsvoll zugewendet waren. „Ich habe mich wieder an etwas erinnert, das die Kinder vielleicht interessieren könnte", erklärte er lächelnd. „Etwas über Piraten."
Nach dieser Ankündigung antwortete ihm nur erstauntes Schweigen. Das Lächeln schwand von seinen ansehnlichen Zügen. „Ich dachte, ihr würdet Piratengeschichten mögen."
Endlich hatte Chloe ihren Schock überwunden. „Oh, aber natürlich!" versicherte sie ihm schnell. „Ich meine, die Kinder lieben sie. Sie müssen nicht befürchten, dass sie Angst bekommen könnten. Ehrlich gesagt, sind die beiden sogar recht blutrünstig. Bitte, fahren Sie fort."
„Nun", sagte er erleichtert, „ich dachte an unser Gespräch beim Tee, und mir fiel wieder ein, dass ich tatsächlich einmal einem Piraten begegnet bin. Er war ein Mann von zweifelhaftem Ruf, der später für seine Verbrechen verurteilt und gehängt wurde."
„Was ist passiert?" fragte Rebeccah, deren Neugier ihre Furcht überwunden hatte. „Eines Tages war ich auf den Docks und überwachte das Beladen eines Schiffes. Es handelte sich um eine äußerst wertvolle Ladung von Möbelstücken."
„Hat er die Möbel etwa unter Ihrem Kinn weggestohlen?" rief Chloe aus.
„Der richtige Ausdruck dafür wäre ,unter meiner Nase', Miss Chloe. Aber nein, das hat er nicht getan. Er ging einfach an mir vorbei, rempelte dabei gegen meine Schulter und entschuldigte sich nicht etwa dafür. Stattdessen warf er mir einen anschuldigenden Blick zu und schien über meine Unverschämtheit nachzudenken, rücksichtslos an einer Stelle zu stehen, die auf seinem Weg lag. Als er schließlich verschwand, sagte mein Partner Mr. Burke, der neben mir stand: ,Weißt du, wer das war?", und ich antwortete ihm, dass ich es nicht wüsste. Daraufhin erzählte er mir, dass der Bursche ein berüchtigter Pirat sei. Tatsächlich wurde er nur wenige Monate nach unserer Begegnung gefasst und verurteilt, und man hängte ihn."
Wieder antwortete ihm nur Schweigen.
Bevor Chloe eine passende Antwort eingefallen war, meldete sich Rebeccah zu Wort. „Das war es schon? Er hat dich nur zur Seite gestoßen?" Ihre Enttäuschung war nicht zu übersehen.
Chloe warf ihm ein entschuldigendes Lächeln
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