Entscheidung aus Liebe
meine Kleine, ich weiß noch mehr. Er ist zwar schüchtern, aber nicht, wenn du mit ihm über die Sterne sprichst."
„Warum?" fragte Rebeccah skeptisch.
„Weil er es liebt, nachts die Sterne am Himmel zu beobachten. Aber er erzählt es niemandem, und nicht viele wissen davon. Ich habe dir also sein Geheimnis anvertraut, und du musst es für dich behalten."
„Oh!" Rebeccah nickte eifrig. „Das werde ich!"
Chloe lachte leise. „Weißt du, ich habe mir überlegt, dass wir beide uns bemühen
könnten, einige der Sternbilder am Himmel zu lernen. Und wenn dein Onkel das nächste Mal zum Tee kommt, könnten wir uns mit ihm darüber unterhalten."
„Oh! Glauben Sie, er würde sich dann freuen?" plapperte das Mädchen aufgeregt. „Können wir gleich damit anfangen, Miss Chloe?"
Chloe zerzauste ihr zärtlich das Haar. „Hast du also beschlossen, deinen Onkel zu mögen?"
Rebeccah zuckte mit den Achseln. „Er ist komisch, aber vielleicht könnte er sogar nett sein. Wenn Großmutter ihn nicht zu einem unfreundlichen Mann macht."
Chloe wandte sich den Bücherregalen zu, um nach einer passenden Lektüre über Sternbilder zu suchen. Insgeheim dachte sie, dass das Kind die Wahrheit nicht besser hätte beschreiben können.
„Ich habe deinen Cousin Gerald eingeladen, uns zu besuchen", sagte die Dowager Duchess am folgenden Morgen beim Frühstück.
„Tatsächlich? Das ist erfreulich", erwiderte Jareth.
„Ja, ich muss zugeben, ich mag diesen Schurken. Es wird schön sein, ihn wieder zu sehen."
„In der Tat."
„Er schrieb mir einen Brief, dass er noch diese Woche hier eintreffen wird." „Hoffentlich lässt du sein altes Zimmer für ihn herrichten."
„Natürlich. Mrs. Hennicot wird sich darum kümmern."
Jareth stand auf und küsste ihre kühle Wange. „Ich freue mich schon auf Geralds Besuch."
„Ja, er war immer ein guter Freund für euch Jungen."
Sie verstummte, und auch Jareth schluckte. Allein schon die beiläufige Erwähnung seines Bruders versetzte seinem Herzen einen Stich.
Nachdem er sich von seiner Mutter verabschiedet hatte, ging er in die Halle. Eigentlich wollte er die Bibliothek aufsuchen, überlegte es sich jedoch anders.
Er fühlte sich heute seltsam ruhelos. Vielleicht würde ein Ausritt Abhilfe schaffen. Er schickte einen Diener zu den Ställen, um zu veranlassen, dass einer der Stallknechte seinen Wallach sattelte. Anschließend begab er sich in sein Schlafzimmer, um passende Reitkleidung anzuziehen.
Als er wieder hinabging, wartete schon ein Knecht mit seinem Pferd vor dem Haus. Jareth saß auf und gab dem Tier die Sporen. Dann galoppierte er mit halsbrecherischem Tempo über den Rasen und geradewegs auf die Wälder zu.
Am Waldrand zügelte er sein Pferd und lenkte es einen dicht bewachsenen Pfad entlang. Innerhalb der schützenden Baumreihen war es angenehm kühl. Jareth öffnete seine Krawatte und genoss die leichte Brise auf der nackten Haut seines Halses.
Vor ihm trat ein junges Reh auf den Weg. Überrascht brachte er sein Pferd zum Stehen und starrte das Tier an. Das Reh starrte zurück, schien sich an seiner Anwesenheit jedoch nicht zu stören.
„Hallo, Mädchen", sagte er leise. Seine Stimme verängstigte die Hirschkuh nicht, denn sie senkte ruhig den Kopf, um an einem Büschel Gras zu schnuppern.
„Du hast zwar keine Angst vor mir, aber ich interessiere dich trotzdem nicht besonders", sagte er mehr zu sich selbst.
Das Reh zupfte einige Grashalme aus, ging dann einige Schritte weiter und fraß an einer neuen Stelle.
Jareth entspannte sich. In diesen Wäldern hatte er bereits als Knabe gespielt, aber ihm war niemals ein Reh untergekommen, das menschliche Gesellschaft so ungerührt hinnahm.
Vorsichtig glitt er vom Pferd, warf die Zügel über einen Ast und ließ sich langsam auf einem großen Stein nieder.
Er kam sich wie verzaubert vor. Einen Augenblick lang genoss er die friedliche Stille im Wald, dann sagte er zu dem Reh: „Soll ich dir etwas erzählen?"
Obwohl das Tier kein Interesse an seinen Worten zeigte, fuhr er fort. „Ich bin ein Betrüger."
Als hätte sie ihn gehört, hob die Hirschkuh den Kopf und sah ihn an. Im nächsten Moment setzte sie zum Sprung an und verschwand zwischen den Bäumen. Jareth hörte das sich entfernende Geräusch ihrer Hufe, dann herrschte wieder völlige Stille. Seufzend stand er auf, löste die Zügel seines Wallachs und schwang sich in den Sattel. Kein Wunder, dachte er, während er weiter durch den herbstlichen Wald ritt. Wer
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