Entscheidung aus Liebe
gerötet und sie atmete heftig. Zudem sah sie äußerst schuldbewusst aus. Hinter dem Zimmermädchen erschien ein junger Mann, den Chloe als einen der Stallburschen wieder erkannte.
„Wo sind die Kinder?" fragte Chloe misstrauisch.
Mary öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Ton heraus. An ihrer Stelle antwortete der junge Mann, der einen Schritt vortrat und Chloe respektvoll zunickte. „Sie kamen sehr überraschend in die Scheune, Miss, so dass sie unsere Miss Mary hier erschreckten. Niemandem ist ein Leid geschehen. Es war Miss Mary, die schrie ... vor Überraschung. Die Kinder machten sich nichts daraus und gingen nach hinten in die Ställe. Ich habe ihnen gesagt, wo die neugeborenen Kätzchen sind."
Mary hatte ihre Fassung inzwischen wieder gefunden und nickte beschämt.
Plötzlich verstand Chloe, warum Mary so verlegen wirkte. Als sie näher hinsah, bemerkte sie die leicht geschwollenen Lippen und den unordentlichen Zustand ihrer Kleidung. Mary war ein anständiges Mädchen, aber Chloe hatte auch schon von Frauen gehört, die durch die Verführungskünste eines gut aussehenden Mannes in Schwierigkeiten geraten waren.
„Ich danke Ihnen", sagte sie zu dem jungen Mann. „Wie ist Ihr Name?"
„Daniel", erwiderte er, berührte seine Stirn und grinste sie schalkhaft an. Chloe konnte sich gut vorstellen, dass er mit diesem Lächeln bereits so manchem Mädchen den Kopf verdreht hatte.
„Nun gut. Danke, Daniel. Könnten Sie mir bitte zeigen, in welche Richtung die ..." Wieder war ein hoher Schrei zu hören, und Chloe wurde zum zweiten Mal von schrecklicher Sorge um ihre Schützlinge ergriffen. Glücklicherweise reagierte Daniel schneller, und er rannte in die Scheune, noch bevor Chloe sich bewegen konnte.
Sie folgte ihm den langen Gang hinunter, zu dessen beiden Seiten sich eine Reihe von Stallungen befanden. Ein Stück weiter vorne standen die beiden Mädchen. Sie klammerten sich ängstlich aneinander, während eine schöne haselnussbraune Stute den Kopf aus ihrem Stall streckte, um an den kleinen Eindringlingen zu schnuppern. Rebeccah schrie noch einmal auf. Sarah dagegen hielt die Augen fest geschlossen, um das bedrohliche große Tier nicht zu sehen.
Daniel blieb stehen und kicherte. Chloe eilte an ihm vorbei, bevor sie vor den Kindern auf die Knie fiel.
„Sie haben doch nicht etwa Angst vor Jess, Ladys?" fragte Daniel, der zu dem Pferd trat und ihm einen sanften Schubs gab, damit es sich in seinen Stall zurückzog. Anschließend schloss er die obere Hälfte des Gatters, so dass die neugierige Stute sich nicht mehr aus dem Stall lehnen konnte. „Sie ist nur eine alte Stute und kann Ihnen nichts zuleide tun."
„Es ist ja schon gut, meine Lieben", sagte Chloe. Gleichzeitig löste sie die Mädchen, die sich noch immer aneinander klammerten, sanft voneinander und nahm beide in die Arme.
„Ich m...mag kei...ne Pferde!" stotterte Rebeccah. Dann brach sie in lautes Schluchzen aus.
Mary kam herbeigeeilt. „Was ist geschehen?"
„Jess streckte den Kopf aus ihrem Stall, um zu sehen, ob die beiden jungen Ladys ihr einen Leckerbissen mitgebracht haben. Sie haben nur etwas Angst vor ihr
bekommen, das ist alles."
„Oh, die armen Mädchen!" rief Mary. „Natürlich hatten sie Angst! Das Pferd muss riesengroß für sie aussehen, so klein wie sie sind."
Chloe jedoch wusste, dass sich die Kinder nicht nur wegen der Größe des Tieres fürchteten. Seit dem Unfall hatten sie vor allem schreckliche Angst, was mit Kutschen ... oder Pferden zu tun hatte.
Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, wie dieses verhängnisvolle Ereignis für die Mädchen gewesen sein musste. Eigentlich hätte sie die Reaktion der Kinder im Stall vorhersehen müssen, aber in letzter Zeit war sie oft zu sehr mit den eigenen Gedanken beschäftigt.
Sie führte die beiden ins Freie und wiegte sie auf ihrem Schoß, bis sich Sarah entspannte und Rebeccahs Weinen verstummte. Mary und Daniel standen verlegen bei ihnen. Anscheinend gaben sie sich die Schuld für den Kummer der kleinen Mädchen.
Schließlich war es Daniel, der die Kinder beruhigte. Er holte eines der winzigen Kätzchen aus dem Stall und brachte es ihnen. Die Augen des kleinen Fellbündels waren noch immer geschlossen, und die Mädchen waren sofort gefesselt.
Nach einer Weile ließen sie sich sogar dazu überreden, wieder die Scheune zu betreten - nach wiederholten Versprechungen, dass alle Pferde in ihren Ställen eingesperrt waren. Chloe lobte den Mut der Kinder, und sie
Weitere Kostenlose Bücher