Entscheidung im Palast des Prinzen
nicht?“
Es war zu spät, um ihre Reaktion zu verbergen. Sie lächelte verlegen. „Es ist einfach eine dumme Angewohnheit von mir, in Kunstgalerien zu weinen. Alte Gemälde haben eine Wirkung auf mich, die mich anrührt. Es ist, als würde sich darin die Seele des Malers offenbaren, wenn du verstehst, was ich meine?“
Alexej wischte ihr eine Träne von der Wange. Dabei sah er Paige liebevoll an. „Du bist herzerfrischend anders, Paige Barnes. Ich glaube, ich habe noch nie eine Frau getroffen, die beim Anblick eines Gemäldes geweint hat. Ich zeige dir besser nicht meine Ahnengalerie, sonst kannst du nachher vor lauter Naseputzen nichts mehr essen.“
„Vielleicht zeigst du sie mir einfach nach dem Essen“, meinte Paige hoffnungsvoll, da sie neugierig war, wie seine Vorfahren ausgesehen hatten.
„Nach dem Essen gibt es noch eine Überraschung.“ Er nahm sie bei der Hand und zog sie zu sich. „Komm jetzt, in der Bibliothek wartet ein köstliches Menü auf uns. Der Speisesaal ist viel zu groß für zwei, da kommt keine Gemütlichkeit auf.“
Bei der Bibliothek handelte es sich um einen Raum mit unglaublicher Deckenhöhe und der Größe eines großen Apartments.
Wenn er diesen Raum als gemütlich empfindet, wie groß ist dann wohl erst das Esszimmer? überlegte Paige. Natürlich standen in den deckenhohen Regalen überall Bücher, und am Ende des Raums brannte ein Feuer in einem riesigen Kamin. Ganz in der Nähe stand ein runder gedeckter Tisch mit weißer Leinendecke, passenden Servietten, Kristallgläsern und edlem Porzellan. Drei Angestellte in Livree hatten sich neben einem Serviertisch postiert, von dem verlockende Düfte ausgingen.
Alexej half Paige aus dem Mantel und reichte einem der Angestellten ihre Garderobe. Dann zog er einen Stuhl für Paige hervor, und sie ließ sich auf den antiken Lederbezug sinken. Dabei überlegte sie, wie viele Generationen von Woronows hier wohl schon Platz genommen hatten. Alexej setzte sich ihr gegenüber, und das Essen wurde aufgetragen. Es gab Fleischspeisen, eine dampfende Suppe mit Teigtaschen, aromatisch duftende Gemüseplatten und Schwarzbrot. Eine Schale Belugakaviar stand auf einer Seite des Tisches zusammen mit einem Teller voller Blini – dünner russischer Pfannkuchen. Einer der Angestellten öffnete eine Weißweinflasche und schenkte ihnen ein.
Nach dem Servieren verließen die Angestellten die Bibliothek, und Alexej und Paige waren wieder allein. Lächelnd hob er sein Glas.
„Auf einen schönen Abend mit gutem Essen in großartiger Gesellschaft.“
Paige stieß mit ihm an und trank einen Schluck von dem Wein, der erstaunlich leicht und frisch schmeckte. Als sie Alexejs Lächeln erwiderte, raste ihr Puls. Sie überlegte, wie sie den Abend überstehen sollte, zumal ihr plötzlich nicht ein Gesprächsthema einfiel. Sie dachte an Chad und Emma und verdrängte das Schuldgefühl, das sie dabei überkam.
„Schmecken dir die Pelmeni?“, wollte Alexej wissen.
„Alles schmeckt wunderbar. Was sind die Pelmeni?“
„Die Teigtaschen. Die Füllung besteht aus Rind-, Lamm- und Schweinefleisch und verschiedenen Gewürzen.“
Paige probierte noch eine. „Schmeckt fantastisch, und du hattest recht, die russische Küche hat mehr zu bieten als Kohlgerichte.“
„Das war das Lieblingsessen meiner Schwester. Das Rezept stammt aus der Ukraine. Meine Mutter hat sie ziemlich oft für uns gemacht.“
„Es tut mir leid, dass deine Schwester nicht mehr lebt“, sagte Paige vorsichtig.
„Sie ist schon lange tot, aber danke.“
Paige bemühte sich, das Thema zu wechseln. „Meine Mutter hat gern ein texanisches Frittierhähnchen gemacht. Das war mein Lieblingsessen. Wenn du jemals nach Texas kommst, bereite ich es für dich zu.“
Er lachte. „Vielleicht komme ich tatsächlich schon bald in die USA.“
„Mein Haus ist allerdings nichts im Vergleich zu deinem wunderschönen Palais hier.“ Paige trank noch einen Schluck Wein. „Es war bestimmt beeindruckend, hier aufzuwachsen.“
„Ich bin nicht hier aufgewachsen, meine Schöne. Der Besitz ist nach der Oktoberrevolution zum Staatseigentum erklärt worden. Erst mit Beginn der Perestroika wurde es möglich, alte Familienbesitze wiederzuerwerben. Mein Vater war zu dem Zeitpunkt schon lange tot, und meine Mutter hatte nicht die richtigen Beziehungen. Ohnehin galten alle Nachkommen zaristischer Adliger in der Sowjetunion als ‚personae non gratae‘.“ Er trank noch einen Schluck Wein.
„Und wie kommt es,
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