Entscheidung in Cornwall
Kletterpartie angefangen, Ramona?«
»Es war eine Flucht«, antwortete sie, noch ehe sie Zeit hatte zu überlegen. Seufzend lehnte sie sich an seine Schulter, als er keine nähere Erklärung verlangte. »Musik war immer etwas, woran ich mich festhalten konnte. Sie war unveränderlich, verlässlich. Ich brauchte etwas, das nur mir gehörte.« Sie wandte den Kopf und sah ihn forschend an. »Und warum wolltest du Karriere machen?«
»Hauptsächlich aus den gleichen Gründen, nehme ich an. Ich hatte etwas zu sagen, und die Leute sollten nie vergessen, dass ich es gesagt hatte.«
Sie lachte. »Und wie radikal du am Anfang warst! Diese aufwühlenden, engagierten Lieder! Eine Zeit lang warst du das schwarze Schaf der Musikszene.«
»Ich bin sanfter geworden«, sagte er.
»›Heiß wie Feuer‹ kam mir nicht besonders sanft vor«, erklärte sie. »War das nicht der Titelsong auf deinem letzten Album?«
Er lachte. »Na ja, ganz darf ich meinen Biss nicht verlieren.«
»Bei uns war es zehn Wochen lang ununterbrochen Nummer eins in den Charts«, sagte sie. »Das ist gar nicht so schlecht.«
»Stimmt«, sagte er, als habe er sich eben erst erinnert. »Es hat ja eine kleine Nummer von dir verdrängt, nicht wahr? Ein sehr hübsches Arrangement, wie ich noch weiß. Es lag vielleicht ein bisschen zu viel Gewicht auf den Streichern, aber …« Sie boxte ihn leicht in die Seite, und er sagte vorwurfsvoll: »Du sollst mich nicht ablenken, wenn ich fahre, Ramona!«
»Für das ›hübsche kleine Arrangement‹ habe ich Platin bekommen.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass es hübsch war. Und der Text war nicht schlecht. Ein bisschen sentimental vielleicht.«
»Ich mag sentimentale Texte«, erklärte sie ihm und knuffte ihn noch einmal. »Nicht jedes Lied muss vernichtende Gesellschaftskritik enthalten.«
»Selbstverständlich nicht«, pflichtete er ihr bei. »Für süße Nichtigkeiten ist immer ein Markt da.«
»Süße Nichtigkeiten«, wiederholte Ramona, ohne zu merken, dass sie in ihre frühere Gewohnheit zurückgefallen waren, gegenseitig Kritik an ihrer Arbeit zu üben und darüber zu diskutieren. »Nur weil ich meinen Liedern allgemein verständliche Texte unterlege und mir keine Effekthascherei leiste …« Sie unterbrach sich, als er den Wagen an die Seite fuhr und anhielt. »Was machst du da?«
»Ich halte an, bevor du mich wieder boxt und wir im Graben landen.« Lächelnd fuhr er ihr mit der Fingerspitze über den Nasenrücken. »Was meinst du mit Effekthascherei?«
»Ja, Effekthascherei«, wiederholte sie. »Wie würdest du das Duell zwischen Gitarre und Klavier am Ende von ›Heiß wie Feuer‹ sonst nennen?«
»Einen klassischen Liedschluss«, antwortete er, und obwohl sie ihm recht gab, stieß sie einen spöttischen Laut aus.
»Ich brauche keine solchen Kinkerlitzchen. Meine Lieder sind …«
»Übersentimental.«
Ramona zog hochmütig eine Augenbraue hoch. »Wenn du meine Musik so einschätzt, weiß ich nicht, wie wir zusammen arbeiten sollen.«
»Perfekt«, versicherte ihr Brian. »Wir werden uns gegenseitig ergänzen, wie immer.«
»Wir werden uns furchtbar streiten«, sagte sie.
»Tja, das werden wir wohl.«
»Und«, fügte sie, ein Lächeln unterdrückend, hinzu, »du wirst nicht immer gewinnen.«
»Gut, dann wird es wenigstens nicht langweilig.« Er zog sie an sich, und als sie sich widersetzte, lehnte er ihren Kopf wieder an seine Schulter. »Schau mal! Warum sehen Städte nachts von irgendeiner Anhöhe immer viel schöner aus?«
Ramona blickte auf die funkelnde Silhouette von Los Angeles hinunter. »Ich glaube, es ist das Geheimnisvolle. Man fragt sich, was dort unten wohl passiert, und man sieht nicht, dass alles nur rennt und hastet. Hier oben ist es still.«
Sie fühlte, dass seine Lippen über ihre Schläfe strichen. »Brian!« Sie zog den Kopf weg, doch er hielt sie fest.
»Bleib bei mir, Ramona«, sagte er in einem Ton, der ihr einen Schauer das Rückgrat hinunterjagte. »Geh nicht weg von mir.«
Er senkte ganz langsam den Kopf, seine Lippen glitten über die ihren, berührten sie jedoch kaum. Seine Hand, die ihren Nacken umschloss, griff weniger zart zu.
Er küsste die weiche Haut ihrer Wangen, die geschlossenen Lider, das duftige Haar an ihren Schläfen. Sie fühlte, wie sie wehrlos wurde und sich an ihn verlor, wie früher.
Ihre Lippen öffneten sich leicht, bereit für die seinen, als sie von ihrer Wanderung zu ihrem Mund zurückkehrten. Sein Kuss wurde begehrlicher, aber er
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