Entscheidung in Gretna Green
Kaffeeflecken höher. „Ich wollte nicht undankbar erscheinen. Das Wort Gemahlin hat mich nur überrascht, das ist alles. Und ich will meine Schwester so schnell wie möglich finden. Ihnen liegt doch auch daran, Ihren Neffen zu finden und zur Vernunft zu bringen, oder?“
„Natürlich, aber …“ Hawthorns Gesundheit war ihr wichtiger.
Ein grotesker Widerspruch, da sie doch gezwungen war, jede Verbindung mit ihm abzubrechen. Die gemeinsame Reise sollte schließlich nicht zuletzt dazu dienen, eine eventuelle Verbindung zur Familie Greenwood zu verhindern.
„Natürlich.“ Er streckte ihr die Hand entgegen, und Felicity schoss der abwegige Gedanke durch den Sinn, er wolle sie einladen, sich neben ihn aufs Bett zu legen. „Als pflichtgetreue Ehefrau werden Sie jetzt Ihrem kranken Ehemann Hemd und Hose bringen.“
Ihre Entgegnung gab ihr einen flüchtigen Moment der Genugtuung. „Ich wünschte aufrichtig, Ihnen diesen Gefallen erweisen zu können. Aber Sie wären beinahe ertrunken, erinnern Sie sich? Ihre Kleider sind triefend nass. Mich schaudert bei dem Gedanken, wie krank Sie wären, hätten wir Sie nicht aus den nassen Sachen geschält.“
„Wir?“ Hawthorns Gesichtsfarbe nahm einen fahlen Grauton an.
„Ned und ich“, antwortete sie. „Mr. Hixon holte inzwischen den Arzt. Wie die meisten Diener hat Ned Erfahrung darin, einem Gentleman aus den Kleidern zu helfen, der dazu selbst nicht in der Lage ist.“
Auch Felicity hatte Erfahrung darin, was sie ihm aber wohlweislich verschwieg. Sie wies mit dem Kinn zum Kamin, den er vom Bett aus nicht sehen konnte. „Ihre Kleider hängen zum Trocknen am Feuer, was noch eine ganze Weile dauern wird. Haben Sie Geduld, morgen wird alles nur noch ein wenig klamm sein.“
„Es ist mir egal, ob die Sachen nass sind.“ Er warf die Decke zurück, rutschte an die Bettkante und wollte die Füße auf den Boden stellen. „Bitte bringen Sie mir Hemd und Hose.“
„Ich denke nicht daran!“ Felicity gab dem Feuer die Schuld daran, dass ihr Hitze ins Gesicht stieg. Es konnte unmöglich Hawthorns prachtvolle Nacktheit sein, die sie vor Schamröte erglühen ließ. „Sie holen sich den Tod, in nassen Kleidern in einer kühlen Nacht durch die Stadt zu reiten.“
Ein Stirnrunzeln umwölkte seine Stirn. „Dann hole ich sie mir eben selber.“
Streitlustig stellte Felicity sich zwischen Bett und Kamin. „Einen Schritt näher, und ich werfe Ihre Sachen ins Feuer!“
„Was ist nur in Sie gefahren?“ Der Schmerz verzerrte sein Gesicht zu einer Grimasse, als er sich auf die Füße stellte. „Sie sind nicht meine Mutter, um Himmels willen. Sie wollen nicht einmal mehr meine Geliebte sein. Also hören Sie auf, mich verhätscheln zu wollen!“
Er wagte den Schritt, vor dem sie ihn gewarnt hatte, doch seine Beine waren schwächer als sein Wille. Er taumelte gegen Felicity, die ihn geistesgegenwärtig zurück aufs Bett stieß. Seine Finger schlossen sich um ihr Handgelenk, und er zog sie auf sich herab.
Die Empörung, die in ihr hochstieg, schmolz wie Hagel auf einem heißen Stein.
Langsam breitete sich ein verwirrendes Glücksgefühl in ihr aus, zugleich aufregend und beruhigend. Das aufgeregte Flattern ihres Herzens passte sich seinem starken Herzschlag an. Endlich wich die eisige Angst aus ihr, die sich in Felicity gekrallt hatte, als sie um Hawthorns Leben gebangt hatte. Sie begann allmählich zu tauen in der Wärme seines kraftvollen Körpers, der sich an sie presste.
Sie konnte sein Verlangen nach ihr spüren. Und umso stärker er seine Männlichkeit an sie drängte, umso weniger Willenskraft konnte Felicity aufbringen, ihn abzuhalten.
Langsam hob sie den Blick in seine Augen, während ihre Finger sanft über seine bärtigen Wangen strichen.
„Willst du mich eine letzte Nacht zu deiner Geliebten machen?“ Sie hauchte die Frage beinahe tonlos, bebend vor Verlangen.
Wenn er sie nun zurückwies, nach allem was zwischen ihnen geschehen war, was dann?
Hatte Felicity die Worte denn tatsächlich gesprochen, die Hawthorn zu hören glaubte, oder trieb sein verwirrter Geist nur einen grausamen Scherz mit ihm?
Selbst wenn sie ihm dieses Angebot tatsächlich gemacht hatte, durfte er es wagen, das Glück seiner Schwester aufs Spiel zu setzen, nur um sein selbstsüchtiges Verlangen zu stillen?
„Natürlich will ich dich“, antwortete er heiser. „Daran kannst du nicht zweifeln. Aber ich begreife nicht, wieso du plötzlich Ivy und deinen Neffen entwischen lassen willst,
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