Entscheidung in Gretna Green
aus.“
„Mag sein.“ Und dann fuhr sie ernsthaft fort: „Erwarte nur nicht, dass ich mich völlig verändere, mein Lieber. Im Grunde bin ich selbstsüchtig, und keinesfalls habe ich die Absicht, etwas daran zu ändern.“
Er überlegte, ob er sie erneut auf den Unterschied zwischen Selbstsucht und Selbstschutz aufmerksam machen sollte, besann sich jedoch eines Besseren. Als er ihr einmal zu erkennen gegeben hatte, dass er gewisse Einblicke in ihr Wesen hatte, war sie wütend geworden und hatte sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen.
Es reichte ihm, den Unterschied selbst zu sehen und danach zu handeln. Sobald Felicity erkannt hatte, dass ihm ihr Glück wichtiger war als alles andere, würde sie sich entspannen. Wenn er ihr erst gezeigt hatte, dass sie sich auf ihn verlassen konnte, würde sie nicht länger glauben, sie müsse ständig auf der Hut sein. Und dann würde die warmherzige, liebenswürdige Frau zum Vorschein kommen, die sich ihm schon mehrmals flüchtig hinter ihrem Schutzpanzer gezeigt hatte.
„Solange du dir umgekehrt nicht erhoffst, dass ich mich in einen charmanten Herzensbrecher verwandele“, entgegnete er achselzuckend.
„Aus welchem Grund sollte ich diese Dummheit begehen?“
In ihrer belustigten Frage schwang ein ehrlicher Ton. Und ihr liebevoller Blick gab ihm das Gefühl, als schwebe er über dem Boden.
War es möglich, dass sie gerade seine direkte, gewissenhafte Art schätzte?
Hawthorn und Felicity hatten gerade den zweiten Gang des Dinners beendet, als der Diener aus dem Dorf zurückkam. Sein betretenes Gesicht ließ Felicity ahnen, dass er keine guten Nachrichten brachte.
„Heraus mit der Sprache. Sie sind abgereist, habe ich recht?“ Enttäuschung und Bitterkeit schärften ihre Stimme. Sie hatte sich so sehr auf ein paar angenehme Stunden mit Hawthorn gefreut, nachdem sie Oliver und Ivy endlich zur Vernunft gebracht hätten.
Der Bursche nickte zögernd. „Sie haben im Dorfgasthof gespeist, Mylady. Ich habe sie nur um eine Stunde verpasst. Der Wirt sagte, sie seien zu Fuß gekommen, und kurz darauf habe Master Rupert sie abgeholt.“
Hawthorn leerte sein Weinglas. „Wusste der Wirt, welche Richtung sie einschlugen?“
„Nein, Mr. Greenwood. Er war der Meinung, Master Rupert brächte sie nach Trentwell zurück.“
Felicity murmelte in sich hinein: „Hört dieser Nichtsnutz nie auf, mir Kummer zu bereiten.“
„Verzeihung, Mylady?“
„Schon gut.“ Sie entließ den Lakaien mit einer Handbewegung. „Danke, du kannst gehen.“
Nachdem er sich zurückgezogen hatte, wandte Felicity sich an Hawthorn. „Sie kommen mir vor wie zwei glitschige Fische. Ich hätte sie gleich bei unserer Ankunft suchen lassen müssen. Aber ich dachte doch nicht, dass sie zu Fuß bis ins Dorf wandern, und außerdem wollte ich nicht …“
Als er ihr einen fragenden Blick zuwarf, senkte sie den Kopf und nestelte an ihrer Serviette. „Ich wollte nicht … ich wollte mich nicht früher als nötig von dir trennen.“
Er antwortete nicht, und sie fasste Mut, ihm ins Gesicht zu sehen. In seinen Augen las sie Freude gemischt mit Trauer. „Mir ergeht es nicht anders“, sagte er leise. „Ich hätte mich auf die Suche machen können, sobald ich wusste, dass die beiden hier sind. Es wäre meine Pflicht gewesen.“
Wenn Ivy in späteren Jahren ihre Unbesonnenheit bereute, würde er sich dafür verantwortlich fühlen, weil er seine brüderliche Pflicht vernachlässigt hatte. Daran zweifelte Felicity nicht.
„Was sollen wir jetzt tun?“ Sie gab dem Dienstmädchen einen Wink, die Teller abzuräumen.
Hawthorn schwieg, bis der nächste Gang aufgetragen war und sie wieder allein waren.
„Es bleibt uns keine andere Wahl, als die Verfolgung wieder aufzunehmen. Unsere Lage mag sich zwar verändert haben, trotzdem bleibt die Flucht der beiden ein folgenschwerer Fehler.“
Er hatte natürlich recht, überlegte Felicity und spießte einen Happen Fischfilet auf die Gabel, obwohl ihr der Appetit gründlich vergangen war. Ihre Mission hatte zwar an Dringlichkeit verloren, da sie beinahe entschlossen war, Hawthorns Antrag anzunehmen, dennoch durfte sie das künftige Glück ihres Neffen nicht vergessen.
„Falls du lieber in Trentwell bleiben möchtest“, begann er vorsichtig, „könnte ich den beiden nachreiten … Was hältst du davon?“
Sein Vorschlag klang höchst verlockend.
Im eigenen Bett zu schlafen, regelmäßige Mahlzeiten von ihrer ausgezeichneten Köchin zu genießen, nicht in der
Weitere Kostenlose Bücher