Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entscheidung in Gretna Green

Entscheidung in Gretna Green

Titel: Entscheidung in Gretna Green Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DEBORAH HALE
Vom Netzwerk:
zu machen. „Ich hatte Angst, Sir, dass Sie noch schneller reiten würden. Also habe ich lieber nichts davon erwähnt.“
    Hawthorn fluchte in sich hinein, bohrte dem Pferd die Absätze in die Flanken und galoppierte los.
    Der feurige Rappe jagte wie der Wind die Straße entlang, vermochte aber nicht die dunklen Ängste abzuschütteln, die dem Reiter im Nacken saßen.

19. KAPITEL
    „Werde ich mein Kind verlieren?“
    Die Schmerzen hatten zwar nachgelassen, doch Felicity befürchtete immer noch das Schlimmste. Sie war zu oft in ihrem Leben enttäuscht worden, um hoffen zu können.
    Die Frau des Gastwirts, eine derbe, grobknochige Person, die mit erstaunlich sanften Händen die Bettdecke über die Kranke breitete, antwortete mit munterer, zuversichtlicher Stimme.
    „Nein, junge Frau. Seien Sie unbesorgt.“
    Sie richtete sich auf und stemmte die Hände in ihre ausladenden Hüften. „Vertrauen Sie mir. In den letzten zwanzig Jahren habe ich bei vielen Geburten geholfen. Noch heute holen sie mich bis nach Penrith zu Entbindungen. Bauernmädchen aus der Gegend, die in die Stadt geheiratet haben. Alle wollen sie nur mit Mutter Merryvale als Hebamme ihr Kind zur Welt bringen.“
    Felicity fiel ein Stein vom Herzen. „Welch ein Glück, dass ich zufällig in Ihre Pflege komme, Mrs. Merryvale. Sie sind sehr gütig zu mir.“
    Noch nie war ihr eine so tatkräftige und resolute Fürsorge zuteilgeworden, abgesehen von den seltenen Gelegenheiten, bei denen sie ihre Bedenken Hawthorn gegenüber abgelegt hatte.
    „Mehr Glück als Verstand, muss ich sagen“, brummte Mrs. Merryvale gutmütig, während sie einen Kessel vom offenen Feuer nahm und heißes Wasser in einen Becher goss. „Was hat Ihr Mann sich eigentlich dabei gedacht, seiner Frau in besonderen Umständen eine lange Kutschfahrt zuzumuten?“
    „Ich habe keinen Ehemann, Mrs. Merryvale.“ Es schadete nichts, jetzt schon die Geschichte zu verbreiten, die sie in den kommenden Jahren noch häufig erzählen würde. „Ich bin Witwe.“
    Das war schließlich nicht gelogen, beschwichtigte sie ihr Gewissen. Mrs. Merryvale musste ja nicht wissen, wie lange ihr Ehemann schon verstorben oder dass Percy nicht der Vater ihres ungeborenen Kindes war. Seltsamerweise bedeutete ihr die Trennung von Hawthorn einen größeren Verlust als Percys Tod.
    „Armes Ding!“ Die Frau des Wirts schnalzte teilnahmsvoll mit der Zunge. „Ich schätze, in Ihrer Trauer haben Sie vergessen, auf Ihre Gesundheit zu achten. Aber Sie müssen vorsichtig sein, für das Kleine und für sich selbst.“
    Felicity nickte gehorsam.
    „Und Sie werden auch den guten Ned nicht fortschicken, hab ich recht?“, fragte Mrs. Merryvale. „Weil er darauf bestanden hat, bei uns anzuhalten, obwohl Sie weiterfahren wollten?“
    Felicitys Verärgerung bereitete ihren Dienern offenbar große Sorgen, wenn sie mit den Wirtsleuten darüber gesprochen hatten. Felicity schüttelte den Kopf. Die Angst, das Kind zu verlieren, die Schmerzen und die erbitterte Auseinandersetzung hatte ihre Kräfte ausgelaugt … und vielleicht ihren Eigensinn gebrochen.
    „Nein, ich entlasse ihn nicht und auch nicht meinen Kutscher. Im Gegenteil, die beiden verdienen eine Belohnung, weil sie besorgter um mich waren als ich selber.“
    Ihre Diener hatten keinerlei Nutzen davon, sich ihren Anweisungen zu widersetzen und hatten trotzdem riskiert, in Ungnade zu fallen.
    Felicity fiel es nicht leicht, einzusehen, dass es Menschen gab, die sich ihrem Willen widersetzten, weil sie um ihr Wohlbefinden besorgt waren, und dabei völlig uneigennützig handelten. Bereits in Kindertagen hatte sie gelernt, sich um ihre eigenen Interessen zu kümmern, weil es kein anderer für sie getan hatte. Ihre unglückliche Ehe hatte diese Überzeugung noch gefestigt.
    Und ihr Herz verhärtet.
    Und nun hatte sie die zwei Menschen aus ihrem Leben vertrieben, die sie am meisten liebte.
    „Sind die Schmerzen schlimmer geworden?“, fragte Mrs. Merryvale und trat mit dem dampfenden Becher ans Bett.
    „Nein.“ Felicity lächelte matt. „Nach dem Heilmittel, das sie mir gegeben haben, spüre ich sie kaum noch.“
    Die Schmerzen in ihrem Leib waren abgeflaut, aber der Schmerz in ihrem Herzen hatte sich verschlimmert. Dagegen hatte auch eine erfahrene Hebamme wie Mrs. Merryvale keine Medizin.
    Die Gute schien anderer Meinung zu sein. „Hier, trinken Sie das in kleinen Schlucken.“ Sie drückte Felicity den warmen Becher in die Hände. „Ein Tee aus meinen

Weitere Kostenlose Bücher