ENTSEELT
fallen. »Ich bin ein Grieche, und hier versteht man diese Dinge.«
»Tatsächlich, Manolis?«, fragte Darcy. »Bist du dir da sicher?«
»Aber ja«, sagte der Polizist. »Der Gangster, den ihr sucht, der Mörder, er ist ein Vrykoulakas. Er ist ein Vampir!«
NEUNTES KAPITEL
»Ich verstehe ja, warum ihr mich in die Geschichte nicht eingeweiht habt«, erklärte Papastamos, »aber ihr hättet es tun sollen. Glaubt ihr etwa, die Griechen kennen sich mit so etwas nicht aus? Gerade die Griechen? Dann passt mal auf: Ich bin in Phaestos auf Kreta aufgewachsen. Ich bin da geboren und habe da gelebt, bis ich dreizehn war. Dann bin ich zu meiner Schwester nach Athen gezogen. Aber ich werde nie die Geschichten vergessen, die man sich auf der Insel erzählte, genauso wenig wie das, was ich da gesehen und erlebt habe. Wusstet ihr, dass es in Griechenland immer noch Gegenden gibt, wo man den Toten Silbermünzen auf die Augenlider legt, damit die Augen sich nicht wieder öffnen? Ah – das ist der Grund! Diese Einschnitte in Layards Augen. Seine Augen öffneten sich immer wieder!«
»Manolis, wie sollten wir das wissen?«, verteidigte sich Darcy Clarke. »Wenn du hundert Leuten erzählst, dass du Jagd auf einen Vampir machst, wie viele davon würden dir wohl glauben?«
»Hier in Griechenland, auf den griechischen Inseln, wohl zehn oder zwanzig«, antwortete der Polizist. »Vielleicht nicht die Jüngeren, aber die Alten, die sich noch erinnern. Und in den Bergen; in den Bergdörfern von Karpathos oder auf Kreta oder noch besser auf Santorin wären es wahrscheinlich fünfundsiebzig von hundert! Die alten Geschichten sterben an solchen Orten nur sehr langsam aus. Wisst ihr nicht, wo ihr hier seid? Werft doch mal einen Blick auf eine Karte. Rumänien ist gerade mal neunhundert Kilometer weit weg. Und meint ihr nicht, dass die Rumänen über ihn Bescheid wissen, über den Vrykoulakas, den Vampir? Oh nein, wir sind keine ahnungslosen Dummköpfe, meine Freunde!«
»Na gut«, sagte Harry. »Dann sollten wir nicht noch mehr Zeit verschwenden. Du weißt Bescheid, du verstehst das und du glaubst uns – das ist in Ordnung. Aber ich muss dich trotzdem warnen. Zwischen der Realität und den Mythen und Legenden besteht ein großer Unterschied.«
Manolis schüttelte den Kopf. »Da bin ich mir nicht so sicher. Und außerdem habe ich schon meine Erfahrungen mit echten Vampiren gemacht. Als ich noch ein Junge war, vor dreißig Jahren, da gab es eine Epidemie. Die Kinder siechten dahin. Auf der Insel hatte ein alter Priester an einem abgeschiedenen Ort in den Bergen gelebt. Er hatte dort seit vielen Jahren ganz allein gehaust und erklärt, er habe die Einsamkeit seiner Sünden wegen gewählt und wage sich nicht in die Gesellschaft von Menschen. Es war noch gar nicht lange her, da hatte man seinen Leichnam in seiner Hütte gefunden und ihn dort begraben. Aber jetzt ging der Priester des Dorfes mit den Leuten dorthin – mit den Vätern der kranken Kinder – und grub ihn wieder aus. Der Leichnam war aufgedunsen, rot und lächelte. Und was haben sie dann mit ihm gemacht? Ich habe es später erfahren, sie haben ihm einen hölzernen Pflock durch das Herz gestoßen. Ich weiß das natürlich nicht ganz sicher, aber in der Nacht wurde ein großes Feuer in den Bergen entzündet, das man kilometerweit sehen konnte.«
»Ich glaube, wir sollten Manolis in alles einweihen«, meinte Sandra.
»Das werden wir«, nickte Harry. »Aber eigentlich ist er ja wohl hierhergekommen, um uns etwas zu erzählen.«
»Ach ja!« Manolis schreckte zusammen und stand auf. »Es ist schrecklich! Der Vampir, den ihr jagt, es gibt jetzt zwei von der Sorte.«
Harry stöhnte auf. »Ken Layard!«
»Natürlich, der arme Ken. Heute Morgen, vor noch nicht einmal einer Stunde, habe ich einen Anruf erhalten, von der Leichenhalle. Man hat die nackte Leiche eines Pathologen gefunden. Mit gebrochenem Genick. Und Ken Layards Leichnam ist verschwunden. Und dann«, er sprach Harry jetzt direkt an, »erinnerte ich mich, was Sie gesagt haben, ich meine, dass Layard untot sei und er sehr schnell verbrannt werden müsse. Und da wusste ich Bescheid. Aber das ist noch nicht alles.«
»Red weiter«, ermunterte Darcy ihn.
»Die Samothraki ist während der Nacht ausgelaufen, in der Jordan und Layard unter den Windmühlen angegriffen worden sind und in der ich Layard aus dem Hafenbecken gefischt habe. Heute Morgen sind die Fischer mit vielen verbrannten Trümmerstücken wieder heimgekommen. Sie
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