ENTSEELT
»Hallo, Papastamos«, brüllte er und winkte mit seinem fleischigen Arm. »Hallo, Manolis!«
»Komm hoch«, rief Manolis hinunter. »Trink ein Bier und ruh’ einen Moment aus.«
»Sie werden da gleich auch nicht mehr so ruhig sitzen, Inspektor«, versprach der andere brüllend, dann verschwand er in der Taverne und polterte die Treppe hinauf.
Als er bei ihnen ankam, bot Manolis ihm einen Stuhl an. »Was ist los?«
Der Polizist schnaufte, bis er wieder zu Atem gekommen war, und erzählte dann in kurzatmigem Griechisch seine Geschichte. »Wir haben Zeugen wegen des verschwundenen Leichnams befragt ...« Er blickte in die Runde und zuckte in der typisch griechischen Weise entschuldigend mit den Schultern. »Ich meine, über die Umstände im Fall Ihres toten englischen Freundes. Wie Sie angeordnet haben, haben wir jeden befragt, der auch nur entfernt etwas gesehen haben könnte. Da war auch ein Mädchen, die Empfangsdame, die in der Nacht Dienst hatte, in der Sie dem Mann das Leben gerettet haben. Sie hat ausgesagt, dass er in den frühen Morgenstunden dieser Nacht von jemandem besucht worden ist. Die Beschreibung des Mannes finde ich sehr interessant. Da, lesen Sie selbst.«
Er zog ein zerknittertes, schweißgetränktes Formular aus seiner Hemdtasche und reichte es herüber. Manolis übersetzte hastig, was der Polizist gesagt hatte, und las das Protokoll. Dann las er den Text noch einmal, gründlicher als zuvor, und seine Stirn legte sich in besorgte Falten. »Hört euch das mal an«, sagte er und las laut vor: »Es war so gegen halb sieben morgens, als der Mann hereingekommen ist. Er sagte, er sei ein Schiffskapitän und vermisse einen seiner Matrosen. Er habe gehört, dass jemand aus dem Hafenbecken gefischt worden sei und wolle wissen, ob es sich um seinen Mann handle. Ich habe ihn zu Herrn Layards Zimmer gebracht, der dort mithilfe einiger Beruhigungsmittel schlief. Der Kapitän sagte: ›Ach nein, das ist nicht mein Matrose. Ich habe Sie ganz umsonst bemüht.‹ Ich wollte schon wieder gehen, aber er folgte mir nicht.
Als ich zurücksah, stand er neben Layard und hatte die Hand auf die Beule an seinem Kopf gelegt. Er sagte: ›Der arme Mann! So eine schlimme Wunde! Aber ich bin trotzdem froh, dass er nicht zu meinen Leuten gehört.‹
Ich habe ihm gesagt, er dürfe den Patienten nicht anfassen, und habe ihn nach draußen geleitet. Aber es war seltsam, obwohl er gesagt hat, Layard täte ihm leid, hat er auf eine ganz komische Weise gelächelt ...«
Während er zuhörte, hatte Harry sich langsam auf seinem Stuhl vorgebeugt. »Und die Beschreibung?«
Manolis las vor: »Ein Schiffskapitän; sehr groß, schlank, exotisch, er trug eine Sonnenbrille, obwohl es noch nicht mal richtig hell war.« Er dachte kurz nach. »Ich glaube ... ich glaube, ich kenne den Kerl.«
Der fette Polizist nickte. »Ich glaube, ich auch. Als wir diese Spelunke von Dakaris observiert haben, da haben wir beobachtet, wie er den Laden verlassen hat.«
»Hah!« Manolis schlug mit der Faust auf den Tisch. »Dakaris’ Laden? Das ist nur einen Fliegenschiss von der Stelle entfernt, wo wir die tote Nutte gefunden haben.« Sofort fügte er hinzu: »Entschuldige, Sandra.«
»Wer ist der Kerl?«, wollte Harry wissen.
»Wer? Ich kann sogar noch mehr liefern, ich kann euch sagen wo. Da drüben ist er!« Er deutete über den Hafen hinaus.
Die schlanke weiße Motorjacht pflügte sich gerade ihren Weg aus dem Hafen hinaus durch Fahrrinne, aber sie war noch nah genug, dass Harrys scharfe Augen den Namen lesen konnten. »Die Lazarus «, hauchte er. »Und wie heißt der Besitzer?«
»Fast genauso. Jianni Lazarides.«
»Jianni?« Harrys Gesicht wirkte plötzlich welk und grau.
»Johnny.« Manolis zuckte die Achseln.
»John«, wiederholte Harry. In seinem Hinterkopf flüsterte eine Stimme – oder die Erinnerung an eine Stimme – einen anderen Namen: Janos!
»Arggghhh!« Harry umklammerte seinen Schädel, als der Schmerz ihn durchfuhr. Ein scharfer Schmerz, aber nur kurz, keine echte Attacke, nur eine leichte Warnung. Aber das bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Denn Janos konnte nur ein Name sein, den er von den Toten erfahren hatte – vielleicht von Faethor persönlich – mit denen ihm jede Konversation verboten war. Er öffnete wieder die Augen und stellte sich dem gleißenden Sonnenlicht und den besorgten Blicken seiner Freunde. »Ich kenne ihn«, sagte er, als er wieder sprechen konnte. »Und jetzt weiß ich sicher, dass ich
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