ENTWEIHT
geschehen, wäre die Welt schon vor langer Zeit in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.
Und so ging es weiter. Sandra Markham, eine telepathisch begabte Anfängerin, in die Harry während der Sache mit Janos Ferenczy unsterblich verliebt gewesen war. Doch Janos’ Kräfte als Mentalist waren womöglich ebenso groß wie diejenigen Nephran Malinaris, und als es ihm gelang, in Sandras Geist einzudringen ... war es vorbei mit Harrys Liebe. Mit Sandra ebenfalls. Der Necroscope hatte die vampirisierte Frau eigenhändig von ihren Qualen erlöst, was für ihn selbst die Hölle war. Doch damit war das Ende immer noch nicht erreicht ...
Trevor Jordan, ein weiterer Telepath, der einem Vampir ins Netz ging. Er wurde gleich zweimal getötet. Auf Janos Ferenczys »Geheiß« hatte er sich eine Waffe an den Kopf gesetzt und abgedrückt. Der Necroscope holte Jordan von den Toten zurück ( Gott , dass so etwas überhaupt möglich war!), nur damit das E-Dezernat ihn ein weiteres Mal tötete. Sie hielten ihn für einen Vampir; denn ist ein Mann erst mal gestorben, sollte er auch tot bleiben. Es sei denn, es handelt sich um einen Untoten.
Ken Layard, ein Lokalisierer des E-Dezernats, der auf etwas gestoßen war, was man am besten niemals entdeckt hätte. In den Zarandului-Bergen in Rumänien mussten gewisse »Freunde« Harrys von jenseits des Grabes sich um ihn kümmern.
Und Zek Foener. Mit einem Mal war ihm, als nähme ihr geliebtes Gesicht über Millie Clearys Hals und Schultern Kontur an. Die beiden waren zwar grundverschieden, und doch empfand Trask für Millie in vielerlei Hinsicht die gleiche Zuneigung wie für Zek. Beide waren sie Telepathinnen, und beide waren sie loyal und treu. Aber Zek, die arme Zek! Seit drei Jahren war sie nun tot, und noch immer hatte er keine Rache für sie genommen; ihre Augen schienen ihn aus Millies stets so unschuldigem Gesicht anzustarren.
Und zuletzt der Necroscope – Harry Keogh – verloren in Raum und Zeit und dem Möbiuskontinuum. Tot, allerdings auf eine andere Art, als man gemeinhin annimmt. Er war nicht mehr ... nun ja, nicht gänzlich. Harry, der Alec Kyles Gesicht trug, so wie er es im Leben getragen und doch irgendwie geschafft hatte, es zu seinem eigenen zu machen.
Doch eben darin lag ein Problem, denn Harrys Gesicht schwebte vor seinem geistigen Auge, trieb einfach dahin und wollte partout zwischen niemandes Schultern zur Ruhe kommen. Als Trask seinen Blick suchend über die mit einem Mal wieder realen Gesichter schweifen ließ, die ihn allesamt erwartungsvoll ansahen, begriff er, weshalb. Weil nämlich niemand aus der kleinen Schar seiner Zuhörer dem je gewachsen sein würde. Und ausgerechnet das eine Gesicht, nach dem er Ausschau hielt, fehlte.
Als Trask dies bemerkte, verwandelte seine melancholische Stimmung sich allmählich in Ärger, ein dumpfes Brennen, das seine Lippen zu einer Grimasse verzerrte ...
Doch in diesem Augenblick wurde leise die Tür zur Einsatzzentrale geöffnet, und in der drückenden, nichts Gutes verheißenden Stille standen Jake Cutter und Liz Merrick einen Moment lang nur da und rührten sich nicht. Aller Augen waren auf sie gerichtet. Insbesondere auf Jake.
Trask war kaum überrascht, als er in jenen Sekunden, in denen jeder den Atem anhielt, feststellte, dass Harry Keoghs Phantomgesicht sich nahezu vollkommen Jakes Zügen anpasste. Was ihn nur noch wütender machte …
ZWEITES KAPITEL
BILDER AUS DER ZUKUNFT
Trasks Gedankengänge hatten nur wenige Sekunden in Anspruch genommen, ihm jedoch kam es vor wie Stunden. Er hüstelte, um seinen kleinen Lapsus zu überspielen – und auch um seinen Ärger wenigstens teilweise herunterzuschlucken. Das war wieder einmal typisch Jake: aufsässig und widerspenstig, und er zögerte alles bis zur letzten Sekunde hinaus. Außerdem war Liz dabei, sich immer mehr für ihn zu erwärmen, sodass Trask nicht umhin kam, sich zu fragen:
Wenn wir es nicht schaffen, ihn zu ändern und umzudrehen und hundertprozentig zu einem der unseren zu machen, werden wir wohl mehr als nur einen Mann, als nur einen ESPer mit seinem gesamten unglaublichen Potenzial verlieren – er wird Liz mitnehmen. Und ich bin mir seiner noch immer nicht absolut sicher. Drüben in Australien hat er sich ganz gut angestellt, aber seither ... Was ist nur mit Jake los? Ich meine, was, zur Hölle, will er eigentlich?
Es waren nur Gedanken, mehr nicht, aber an diesem Ort, umgeben von lauter ESPern, hatten sie ebenso viel Gewicht wie im Möbiuskontinuum.
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