ENTWEIHT
Gangsterboss, der mit Drogen handelte. Er hatte zahllose Menschen foltern und ermorden lassen, und schmierte die italienische und französische Polizei – zumindest einen Teil davon. Obendrein reichten seine Kontakte zur Mafia bis tief in das Herz eines Russlands hinein, das keine moralischen Werte mehr kannte. Gegen einen solchen Gegner konnte man sich nicht als Ein-Mann-Armee aufspielen und hoffen, einfach so davonzukommen. Da brauchte man Rückendeckung, zum Beispiel durch das E-Dezernat, und die Hilfe, die Gustav Turchin bewilligen konnte. Wenn Jake sich doch nur zurückhalten und ihnen die Chance dazu geben würde. Wenn er doch endlich begreifen würde, dass es um weit mehr ging als um seine persönlichen Rachegelüste.
Hah! Trask stieß ein verächtliches Schnauben aus. Ja, ja, Jake Cutters Rachegelüste. Tatsache war doch, dass er, Trask, Jake nur benutzen wollte, um seinen eigenen Rachedurst, sein Verlangen nach dem Blut und dem Leben der Wamphyri zu stillen.
Am Ende des Ganges waren mehrere Leute auf dem Weg in den Besprechungssaal. »Noch zwei Minuten«, sagte John Grieve, während er Trask einholte, dicht gefolgt von drei, vier weiteren Kollegen, die sichergehen wollten, dass sie sich im Saal befanden, ehe er anfing. An den Türen hielt er inne, um sie vorüber zu lassen, blickte zurück, und als er sah, dass der Flur nun leer war, folgte er ihnen ...
Die Einsatzzentrale. Die Hälfte davon nahmen elektrische Gerätschaften ein, in der Hauptsache satellitengestützte Kommunikationssysteme, mit denen man auf ein Gefecht in Äthiopien zoomen und ein recht anständiges (oder vielmehr unanständiges) Bild davon erhalten konnte, wie ein grinsender Soldat sein Bajonett einem gekreuzigten »Rebellen« tief in den After stieß. Oder die Verbindung zur GCHQ, dem technischen Aufklärungsdienst, der Abhörstation, die weltweit jede unsichere und auch einige »sichere« Telefonverbindungen anzuzapfen vermochte. Hinzu kamen die Extraps, Computer, deren einzige Funktion darin bestand, so viele der heute bekannten Lebensbedingungen wie nur möglich auszuwerten, um zu ermitteln, wie die Welt von morgen aussehen könnte.
Alles ganz tolle Sachen ... bis man begriff, was man hier eigentlich vor sich hatte, nämlich im Grunde lediglich ein körperloses Gehirn, das rein gar nichts kontrollierte. Setzte man es ein, konnte man damit sehen und hören, aber niemals schmecken, riechen oder fühlen. Und bis auf ganz wenige Ausnahmen vermochte man damit auch nichts zu ändern. Manchmal verglich Trask es mit Gott – man konnte es nicht ganz mit ihm gleichsetzen, schließlich war Gott allwissend und der Computer konnte nur wissen, was man ihm vorher eingab, und selbst eine Hochrechnung war letztlich bloß eine Vermutung – aber Trask verglich es mit Gott, weil er auch Ihn nicht für allmächtig hielt. Wenn Er den Menschen einen freien Willen gegeben hatte, wie sollte es Ihm da möglich sein, ihre Handlungen zu kontrollieren? Und selbst wenn es Ihm möglich war, wie sollte Er sich mit einer einzelnen Tat beschäftigen? Wie sollte es Ihm gelingen, eine beliebige Grausamkeit auszuwählen, sie wieder zu richten oder ihr zu begegnen, wenn auf der ganzen Welt gleichzeitig Millionen von Gräueltaten begangen wurden?
Antwort: Er konnte es nicht ... In Trasks Fall hatte Er jedenfalls nicht eingegriffen.
Seit Zeks Tod hatte Trask viel über Gott nachgedacht und versucht, seinen Frieden mit Ihm zu schließen, aber bislang war es ihm noch nicht so recht gelungen. Stattdessen vertraute er lieber auf die Apparate und die Geister.
Die Einsatzzentrale mit ihren Gerätschaften, um die sich für gewöhnlich die Techniker scharten, die Männer, die sie bedienten. Aber ähnlich wie Gott (in Trasks Augen zumindest) konnten Maschinen nicht alles erledigen. Und im Gegensatz zu Ihm konnten sie ihre Augen und Ohren auch nicht überall gleichzeitig haben. Und hier kamen die Geister ins Spiel.
Denn während ein Telefonanruf oder eine Videokonferenz Zeit in Anspruch nahm, fand bei der Telepathie die Übertragung unmittelbar statt. Und während automatische Hochrechnungen allenfalls auf zukünftige Ereignisse schließen ließen, erhaschten Hellseher wie Ian Goodly hin und wieder tatsächlich einen »flüchtigen Blick« in die Zukunft. Und die Spionagesatelliten am Himmel mochten noch so sorgfältig nach chemischen und atomaren Verseuchungen in den Ozeanen und auf den Kontinenten Ausschau halten, Lokalisierer wie David Chung spürten diese ohne Weiteres
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